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Salome ist krankgeschrieben

■ Von Boykott oder gar Streik will die Gewerkschaft der Orchestermusiker nicht sprechen. Trotzdem klaffen nach einer Gehaltskürzung im Orchestergraben Lücken. Salome-Premiere deshalb abgesagt

Die Deutsche Oper schreibt Theatergeschichte: Erstmals mußte eines der größten deutschen Opernhäuser eine Premiere aus Mangel an Orchestermusikern absagen.

Mit einer Wiederaufnahme der acht Jahre alten „Salome“-Inszenierung wollte das Haus an der Bismarckstraße das 50. Todesjahr des Komponisten Richard Strauss einläuten. Die krisengeschüttelte Deutsche Oper hoffte auf ein ausverkauftes Haus.

Doch „wegen des hohen Krankenstandes im Orchester“, so mußte das Publikum am Dienstag erfahren, könnten die „erforderlichen Proben“ leider „nicht durchgeführt werden“. Alle Versuche, wie in solchen Fällen üblich bei den Kollegen zwischen Kiel und Meiningen Ersatz herbeizutelefonieren, seien gescheitert. Von „Streik“ oder „Boykott“ mag die Deutsche Orchestervereinigung (DOV), die die Musiker vertritt, nicht reden.

Zwar ließ das Orchester durch seinen Vorstand mitteilen, es sei „seit dem 14. Dezember nicht mehr bereit, übertarifliche Leistungen zu erbringen“. Zwar verkündete Geschäftsführer Rolf Dünnwald aus der DOV-Zentrale im fernen Hamburg, die Orchester in ganz Deutschland zeigten „ihre Solidarität, indem sie darauf verzichten, sich als Aushilfe zur Verfügung zu stellen“. Das aber, betont der Berliner DOV-Funktionär Claus Strulick, hätten die Musiker selbst entschieden. Zu einem „Boykott“ habe die Gewerkschaft nie und nimmer aufgerufen. Daß die plötzliche Grippewelle nicht als „Streik“ zu werten sei, steht für ihn ohnehin außer Frage.

Wie auch immer: Grund der Misere ist das Ansinnen der Oper, den Instrumentalisten ihre „Medienzulage“ zu streichen. Offiziell erhalten sie das Geld für mediale Aufnahmen und Übertragungen – allein, für das künstlerisch kriselnde Haus hat sich seit Jahren kein Medium mehr interessiert. In Wahrheit, erläutert Strulick, handele es sich „einfach um eine Zulage“. Dieser Trick sollte den Musikern der gehobenen Häuser zum adäquaten Gehaltsniveau verhelfen, ohne aus dem Tarifvertrag auszubrechen. Wer daran rüttele, gefährde die künstlerische Qualität. Andere Sparpotentiale, klagt Strulick, habe Intendant Götz Friedrich längst nicht ausgeschöpft. „Ein billiges Bühnenbild muß nicht unbedingt schlechter sein“, sagte der Gewerkschafter in Anspielung auf Friedrichs Ausstattungsorgien.

Für den „Boykottaufruf zu Lasten der Zuschauer“ hat der Geschäftsführende Direktor André Schmitz kein Verständnis, für den „Unmut der Musiker“ hingegen schon. Um die „Konkurrenzfähigkeit“ zu sichern, müsse die Berliner Kulturpolitik „die Orchester der beiden großen Opernhäuser finanziell gleichstellen“, so Schmitz, der seit dem Defizit-Debakel für Friedrich die Finanzen führt. Weitere Einschränkungen des Spielbetriebs wollte Schmitz gestern nicht ausschließen. Er hoffe zwar, „daß wir den Spielplan aufrechterhalten können“, in der jetzigen Situation entscheide sich das jedoch „jeden Tag neu“. Ralph Bollmann

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