Das Portrait: Ein Akademiker als erster Polizist
■ Alejandro Gertz Manero
Lob oder gar Lorbeeren sind in dem Job wohl kaum zu ernten. Was den angesehenen Juristen bewegt haben mag, einen der undankbarsten Arbeitsplätze im ganzen Land anzunehmen, bleibt fraglich. Seit drei Monaten ist Alejandro Gertz Manero Polizeichef von Mexiko-Stadt – er sitzt nicht nur auf einem neuen, sondern, wie viele meinen, auch auf ziemlich verlorenem Posten.
Kein Berufsstand ist in Mexiko so diskreditiert wie die Polizei, kaum eine Stadt der Welt weist eine so miserable Effizienzquote polizeilicher Bemühungen auf wie die Hauptstadt Mexiko- Stadt. Denn nach wie vor gelten mexikanische Polizisten als verläßliche Freunde und Helfer – allerdings nicht der BürgerInnen, sondern des mehr oder weniger organisierten Verbrechens.
Alejandro Gertz Manero dürfte das bekannt gewesen sein. Seit über dreißig Jahren ist der 58jährige als Anwalt tätig, hat Untersuchungen der Bundesstaatsanwaltschaft geleitet und diverse Studien zur urbanen Kriminalität durchgeführt.
Der große, helläugige Blonde mit dem väterlichen Image ist seit langem der erste Zivile an der Spitze des hauptstädtischen Polizeiapparats. Als Rektor einer renommierten Privatuniversität weist er für einen Polizeichef ein völlig neuartiges Profil auf: das eines distinguierten Akademikers, der zwar Praxisnähe besitzt, aber zugleich genügend Distanz hat zu den Praktiken eines korrumpierten Apparats. Anstatt auf martialische Posen wie sein Vorgänger setzt er auf Bildung, Prävention und Bürgernähe, vor allem aber auf Anreizsysteme für die bislang mental wie materiell eher minderbemittelten Polizeikräfte.
So soll das Polizeigewerbe ingesamt aufgewertet und besser entlohnt sowie eine direkte Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen gefördert werden. Von „Null-Toleranz“ und Todesstrafe, nach denen auch in Mexiko immer größere Teile der Bevölkerung verlangen, hält der studierte Jurist dagegen nicht allzuviel.
Doch bei allen guten Absichten: Die Zeit wird knapp. Bei einer kürzlich veröffentlichten Umfrage gab ein Viertel der Befragten an, seit Jahresbeginn überfallen worden zu sein – im Schnitt mindestens zweimal. Und schon heute besitzen sechs von zehn HauptstadtbewohnerInnen eine eigene Schußwaffe. Anne Huffschmid
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