: Was passiert mit Dresden–Prag?
Bonner Koalition steht wegen Autobahn Krach ins Haus: Weder Geld noch Bedarf vorhanden, sagen die Grünen. Tschechiens Umweltminister will andere Strecke ■ Aus Dresden Nick Reimer
„Ich habe gelegentlich darüber gelesen“, sagte Gerhard Schröder am späten Mittwoch in Dresden. Dann legte der Bundeskanzler seine Stirn in Falten: „Das muß ganz schlimm sein.“ Mit „schlimm“ meint Schröder die Verkehrsbelastung im Osterzgebirge. Vor allem der Schwerlastverkehr auf der wichtigen Nord-Süd-Transitstrecke macht den Kommunen zu schaffen.
Bei der ersten gemeinsamen Sitzung debattierten der Bonner Kabinettsausschuß „Neue Länder“ und die sächsische Landesregierung deshalb auch über das, was Kanzler Schröder als Abhilfe gegen dieses „Schlimm“ empfiehlt: Die Autobahn A 17 von Dresden nach Prag. Landesvater Biedenkopf wollte am Mittwoch eine klare Finanzierungszusage des Kanzlers einholen. Zwar bekam er die nicht, konnte aber nach den Beratungen vermelden, man sei sich einig, das Projekt so schnell wie möglich zu verwirklichen. Für Schröder steht zumindest so viel fest: Es geht bei der A 17 „nicht um die Frage der Notwendigkeit, sondern um die Frage der Finanzierbarkeit“.
Der grüne Koalitionspartner dürfte das mit einigem Groll vernommen haben. Vor Wochenfrist hatte sowohl Albert Schmidt, verkehrspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, als auch Fraktionschef Rezzo Schlauch das gesamte Autobahnprojekt in Frage gestellt und einen Baustopp gefordert. „Es dürfen keine weiteren baulichen Fakten beim ersten Bauabschnitt geschaffen werden“, sagte Schmidt. Begründung: Statt der im Bundesverkehrswegeplan kalkulierten Kosten von 625 Millionen Mark werde die Strecke wohl 1,3 Milliarden kosten.
Woher das Geld kommen soll, ist völlig unklar. Auch die der Planung zugrunde liegende Prognose des Verkehrsaufkommens müsse nach unten korrigiert werden. Sachsens Finanzminister hatte gerade den Finanzierungsbeitrag des Freistaates in Höhe von 110 Millionen Mark in Frage gestellt. Und eine Wirtschaftlichkeitsprüfung hatte gezeigt, daß eine ins Auge gefaßte Privatfinanzierung des dritten Bauabschnitts nicht in Frage kommt.
„Das finanzielle Risiko für alles, was jetzt weitergebaut wird, trägt der Freistaat“, erklärte Schlauch der Sächsischen Zeitung. Besonders Sachsens Grüne klatschten Beifall: Schließlich ist die Wahlkampfzeit im Sachsenland angebrochen, und man zittert der Fünfprozenthürde entgegen.
In einem Bürgerentscheid hatten sich die Dresdner 1995 mehrheitlich für eine stadtnahe Trassenführung der A17 entschieden. Am ersten Bauabschnitt – 3,6 Kilometer lang und 130 Millionen Mark teuer – wird seit August gearbeitet. Für den zweiten läuft derzeit das Planfeststellungsverfahren. Nach den Plänen des Autobahnamtes soll die Trasse bis zur deutsch- tschechischen Grenze im Jahr 2003 fertiggestellt sein.
Doch nicht nur die ungeklärte Finanzierung stellt die Autobahn nach Prag in Frage. Tschechiens Umweltminister Milos Kuzvart verweigerte Ende November die Baugenehmigung für einen Abschnitt durch das Naturschutzgebiet Böhmisches Mittelgebirge. Das zweifellos bestehende öffentliche Interesse an der Autobahn überlagere nicht deutlich die Interessen des Naturschutzes, so die Begründung. Die für den Bau notwendige Ausnahmegenehmigung sei aber nur dann erteilbar.
Bis spätestens Ende Januar will jetzt die Prager Regierung über die Streckenführung durch das Böhmische Mittelgebirge entscheiden. Allerdings ist der Druck auf den Umweltminister inzwischen so groß, daß die Autobahngegner befürchten, Kuzvart werde „umkippen“. Ministerpräsident Biedenkopf erklärte am Mittwoch, man wolle jetzt klären, ob das Projekt in Verbindung mit den transeuropäischen Verkehrsnetzen der Europäischen Union gebracht und so finanziert werden kann. Und die Tschechen sehnen sich bekanntlich nach einem EU-Beitritt.
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