: „Joschka hat gesagt...“
■ In Berlin treffen sich Grüne zur Demo vor der US-Botschaft – wie in besten Oppositionszeiten
Berlin (taz) – „Stoppt die Bomben!“ steht auf dem Zettel, mit dem die Grünen zur Protestkundgebung in Berlin aufrufen. Man trifft sich um 13 Uhr vor der US- Botschaft zu einer spontanen Aktion nach dem überraschenden Militärschlag gegen den Irak. Die Organisatoren teilen schon mal mit, daß die Bombardierung sofort gestoppt werden müsse. Aufs Flugblatt haben die Grünen geschrieben, daß sie „von unserer Bundesregierung“ eine unmißverständliche Intervention gegen das Vorgehen der USA erwarten. Seltsam ist das wohl schon, in Friedenssachen nicht mehr den Zapfensteich- und Panzerliebhaber Kohl als Gegenüber zu haben, sondern Gerhard Schröder. Und Joschka Fischer.
Da ist es fast schon beruhigend, daß pünktlich zum Demo-Beginn vor der Botschaft einige Polizeiautos vorfahren, die Beamten eine Absperrung aufbauen und sich breitbeinig dahinter postieren. Fünf vor eins stehen auf der anderen Barrikadenseite kaum mehr Protestler. Wenig später trudelt eine etwa 40köpfige Gruppe mit PDS-Fahnen ein, die trotz der kurzen Zeit noch Anstecker aus einer Schublade im Karl-Liebknecht- Haus besorgt haben: „Die Waffen nieder“. „Es sind ja nur 15 Stunden Zeit gewesen“, sagt Philipp Hill, ein Grüner mit Bart und Lederschirmmütze. 1991 habe sich die Friedensbewegung über Wochen „hochschaukeln“ können, während das Ultimatum gegen Saddam auslief.
Hill findet klare Worte. Menschen würden „geschlachtet“, sagt er einer Fernsehreporterin und ergänzt auf Nachfrage, Bill Clinton wolle nur von seinen Schwierigkeiten ablenken. Kniffliger wird es, wenn man Hill nach seinen Parteifreunden in Bonn fragt. „Joschka hat gesagt, in der Außenpolitik werde es Kontinuität geben.“ Da gebe es aber in der Partei so etwas wie ein „Spannungsverhältnis“, analysiert er. Ja, der Scharping sei kein bißchen anders als Kohl und Kinkel. Und Fischer? Was der Außenminister „in der Stille der Diplomatie“ mache, wisse er nicht, sagt Hill und guckt so, als sei es ja klar, daß „Joschka“ hinter den Kulissen fieberhaft arbeitet. Er muß doch!
„Die Grünen haben ein Problem“, stichelt Sandra Brunner, die PDS-Wählerin ist. Warum sonst gebe es noch immer kein Statement aus Bonn? Die 23jährige gibt gleich selber die Antwort: „Koalitionszwänge“.
Renate Künast ist gekommen. Das tut den Demonstranten gut, die grüne Fraktionschefin in Berlin ist eine von den Großen, hat in Bonn den Koalitionsvertrag mit ausgehandelt. Sie spricht so wunderbar eindeutig in die Mikrofone. Krieg sei das falsche Mittel, vor allem, wenn er die Zivilbevölkerung gefährde. Künast bilanziert: „Die USA dürfen nicht Weltpolizist sein.“
Nach einer knappen halben Stunde ist die Kundgebung schon vorbei. Gegenüber der Botschaft steht noch Ursula Hertel-Lenz, die für die Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Ob die Kabinettsgrünen sich klarer positionieren müßten? Das eine sei die Partei, gibt Hertel-Lenz zu bedenken, das andere die Regierung. Sie hoffe aber auch, daß Joschka Fischer noch eine „klare Aufforderung ergehen läßt“, die Bombardierung zu stoppen. „Wir erwarten das.“ Georg Löwisch
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