Nachhaltig vergrault

Nachdem Umweltverbände sich von der Weltaustellung in Hannover distanziert hatten, soll das Öko-Image der Expo 2000 nun über Fördergelder gesichert werden  ■ Von Heike Gläser

Wenn mit Superlativen geklotzt wird, ist Berlin gerne dabei: So auch als Partner bei der Expo 2000, die ja eigentlich in Hannover stattfindet. Unter dem Motto „Mensch-Natur-Technik“ sollen „innovative Projekte“ „ganzheitliche Lösungen aufzeigen“, die „ökologische und ökonomische Bedürfnisse berücksichtigen“. Das Drei-Milliarden-Mark-Projekt will „für die zentralen Menschheitsfragen an der Schwelle des nächsten Jahrhunderts umweltfreundliche und innovative Lösungen anbieten“.

Doch jenseits der gefälligen Slogans hat die Veranstaltung mindestens einen Haken: Sie findet ohne Beteiligung der Umweltverbände statt, da die Expo-Gesellschaft mit einem fertigen Konzept an die Verbände herangetreten ist, die davon Abstand nehmen.

Die Expo 2000 sei, so wie sie geplant ist, alles andere als ökologisch vertretbar: „Es wäre spannend gewesen, eine Weltausstellung zu versuchen unter dem Kriterium der Nachhaltigkeit“, meint Leif Miller, Präsidiumsmitglied des Deutschen Naturschutzringes (DNR) und Sprecher des Landesverbandes Berlin der Grünen Liga. „Statt dessen wird das eine große Industrieparty.“ Außerdem, so Miller, seien Großveranstaltungen generell ökologisch problematisch. Er verweist auf den BUND, der von einem regionalen Anstieg des Klimagiftes Kohlendioxid um zehn Prozent ausgeht. Der BUND hat sich auch zu dem geplanten Umsatzsteuererlaß von 256 Millionen Mark geäußert: Robert Exner, Sprecher des BUND in Niedersachsen, errechnete, daß man mit diesem Geld „eine Stadt mit 250.000 Einwohnern wie Braunschweig mit umweltfreundlichem Strom versorgen oder rund 170.000 Tonnen Kohlendioxid im Jahr einsparen“ könne.

Die Mitgliederversammlung des DNR, eine Dachorganisation von über 100 bundesdeutschen Umwelt- und Naturschutzverbänden, beschloß im April 1997, an der Großveranstaltung nicht teilzunehmen. „Der Beschluß wurde von der Grünen Liga auf der letzten Vorstandssitzung ein weiteres Mal bestätigt“, erklärt Christa Tennert von der Bundesgeschäftsstelle der Grünen Liga. Die Grüne Liga wird in diesem Punkt auch mit dem Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e. V. (BBU) eng zusammenarbeiten. Allenfalls auf regionaler Ebene werden die jeweiligen Landesverbände die dezentralen Projekte „kritisch begleiten“. Christa Tennert betont, daß die Landesverbände selbständig agieren und im Einzelfall entscheiden werden, ob sie sich an einem Expo-Projekt vor Ort beteiligen werden oder nicht. Der Landesverband Berlin allerdings habe eine eindeutige Stellung zur Expo, nämlich sie abzulehnen.

Leif Miller vom DNR weiß, daß eine Beteiligung von Mitgliedsverbänden auf regionaler Ebene nicht zu verhindern ist. Der Beschluß ist lediglich eine Empfehlung an die Mitgliedsverbände, sich nicht an der Expo zu beteiligen. Positiv zu verbuchen sei allerdings, daß sich die gesamte Umweltbewegung insofern zusammengetan habe, um die Türe nach Hannover zuzuschlagen. Was bei den zentralen Veranstaltungen in Hannover machbar ist, ist bei den dezentralen Projekten nicht absehbar. Er sieht darin die Gefahr, daß der Beschluß „durch die Hintertür“ aufgeweicht werden könne. Denn die Expo- Planer werben ihrerseits um die Umweltverbände und versuchen, das eine oder andere laufende Projekt als Expo-Projekt zu verkaufen. „Es passiert, daß die Expo versucht, Umweltverbände mit Mittelzuwendungen ins Boot zu bekommen“, meint Miller.

Von der Expo-Gesellschaft zur Vorbereitung und Durchführung der Weltausstellung war zu hören, daß es bundesweit derzeit 214 registrierte und 70 empfohlene dezentrale Projekte gibt. Diese Zahl ändere sich aber täglich, denn es werden noch bis Mitte kommenden Jahres neue Projekte aufgenommen. Alle Bundesländer sind mit regionalen Projekten vertreten. Dabei werde nicht danach unterschieden, ob es sich um ein laufendes Projekt handele, das sowieso realisiert werde, oder ob es speziell für die Expo konzipiert wurde, so eine Sprecherin der Expo.

In Berlin beispielsweise gibt es derzeit rund 30 dezentrale Projekte, die offiziell den Expo-Stempel „weltweites Projekt“ erhielten, dazu zählen die Info-Box, das Ökohaus an der Kochstraße oder das Car-Sharing-Konzept von StattAuto. Diese Projekte sind kein Verdienst der Expo, sondern wurden unabhängig davon realisiert. Jüngstens Beispiel: die geplante Weltkonferenz zur Zukunft der Städte, „Urban 21“. Die Konferenz über nachhaltige Stadtentwicklung ist getragen von den Staaten Brasilien, Deutschland, Singapur und Südafrika und soll im Juni 2000 in Berlin stattfinden. Nun wurde diese Veranstaltung im nachhinein für die Expo gelistet, mit dem Effekt, daß die Konferenz nicht nur in Berlin, sondern auch in Hannover stattfindet. Stefan Richter von der Grünen Liga und Experte für lokale Agenda-Aktivitäten, spricht nun von einer Einzelfallentscheidung, die zu treffen sei, um zu klären, wie sich die Grüne Liga dazu verhalte. „Weil es unser Thema ist, werden wir die Urban 21 in jedem Fall kritisch begleiten.“

Der Umgang mit dem Expo-Bezug sei allerdings noch unklar. Natürlich werde man versuchen, Mittel vom Land zu bekommen, auch wenn man befürchte, daß alles, was das Land unterstützt, dann auch „im Rahmen der Expo“ laufen muß, sagt Richter. Das Projekt Urban 21 ist kein Einzelfall; mit diesem Problem werden noch einige regionale Umweltverbände konfrontiert werden.