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■ Eine Rechnung für MilchmädchenDer Erhalt der Duty-free-Läden ist unsinnig und rettet kaum Arbeitsplätze

Gerhard Schröder strahlte: Auf dem EU-Gipfel in Wien konnte er die zwölf Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft für die Beibehaltung des Duty-free innerhalb der Union gewinnen. Belgien, Dänemark und die Niederlande beharren noch auf die Durchsetzung des Beschlusses von 1991, den zollfreien Einzelhandel innerhalb Europas zum 1. Juli 1999 zu beenden. Die EU soll jetzt bis März darüber entscheiden. Europaweit sollen angeblich Tausende von Arbeitsplätzen gesichert werden, indem der zollfreie Einkauf auf Reisen innerhalb der EU bewahrt bleibt. Dies aber ist eine Milchmädchenrechnung.

Die Mitgliedsstaaten der EU besteuern Alkohol und Zigaretten, um so die Folgen des Mißbrauchs der beiden Volksdrogen abzufedern und ihren Konsum einzuschränken. In Duty-free-Läden auf die Steuer zu verzichten bedeutet, daß der Staat auf Einnahmen verzichtet und gleichzeitig mehr Alkoholmißbrauch zuläßt. Die Abschaffung des Duty-free- Handels ist daher nur konsequent.

Die Befürworter des Duty-free argumentieren, daß der Verzicht Arbeitsplätze bei Reedereien oder Flughafenboutiquen vernichtet. 150.000 Arbeitsplätze europaweit stünden auf dem Spiel. Diese Rechnung ist jedoch falsch: Zum einen werden nicht alle Arbeitsplätze wegfallen, sofern die Unternehmen andere Dienstleistungen anbieten. Der Duty-free- Bereich der Flughäfen ist ein interessanter und lukrativer Standort. Schon heute sind dort auch eine Reihe von Geschäften angesiedelt, die nicht auf zollfreie Waren setzen. Auch bei höheren Preisen werden zumindest einige Fährlinien im Ostseeraum weiterbestehen. Darüber hinaus könnten die Butterschiffe an der norddeutschen Küste neue, attraktive Angebote entwickeln. Das Wirtschaftsforschungsinstitut ifo schätzt den direkten Arbeitsplatzverlust bei Wegfall des Duty-free-Handels auf deutlich weniger als 50.000 Arbeitsplätze europaweit.

Zum anderen sind die Arbeitsplätze im Duty-free-Bereich zu einem Teil nur entstanden, da Zölle und Steuern umgangen werden können. Die Duty-free-Regelung ist aufgrund des Einnahmeverzichts bei Steuern und Zöllen eine Subventionierung von Butterschiffen und Flughafenboutiquen von jährlich vier Milliarden Mark, wie die EU-Kommission schätzt. Durch die Einführung des zollfreien Einkaufs wurden aber Arbeitsplätze im Einzelhandel vernichtet, da dessen Umsatz zurückging. Endet der Duty-free-Handel, könnten im Einzelhandel auch wieder neue Jobs entstehen. Insgesamt dürfte der Arbeitsmarkteffekt des zollfreien Einkaufs gering sein.

Die Verfechter des Duty-free-Handels verweisen auf die älteren Mitarbeiter auf den Schiffen, die keine adäquate Arbeit finden könnten. Doch seit mindestens acht Jahren hätten sich Reedereien und Mitarbeiter auf die veränderte Situation einstellen können. Nur wenige haben es tatsächlich getan. Wird weiter abgewartet, wird sich an der Zahl der Mitarbeiter auf den Butterschiffen nichts ändern. Konsequent wäre es, den Wandel zu fördern, statt diese Subventionierung bis zum Nimmerleinstag fortzuführen.

Schließlich heißt es, daß vor allem Rentnern mit den Butterfahrten ein wichtiges gesellschaftliches Ereignis verlorenginge. Die niedrigen Tagespreise von drei Mark kommen jedoch nur zustande, weil die Reedereien nicht an den Fahrkarten, sondern an den Duty-free-Verkäufen verdienen. Insofern tragen die Rentner einen Teil der Kosten über ihre Einkäufe an Bord, ein anderer Teil wird durch die Steuersubventionen finanziert. Konsequent wäre es, den Rentnern für dieses Geld andere Freizeitaktivitäten zu eröffnen.

Die Argumentation, der zollfreie Handel sichere Arbeitsplätze, führt bei konsequentem Weiterdenken zu einer absurden Vorstellung: Wenn man fortan alle Waren des täglichen Bedarfs nur noch auf Schiffen verkaufen würde, könnte die Zahl der Beschäftigten im Duty-free-Handel verzehnfacht werden. Zusätzliche Jobs entstünden bei Werften. Um den Anfahrtsweg für süddeutsche Kunden zu verringern, könnten auch Flüsse und Kanäle für den Duty-free-Handel genutzt werden. Durch den dafür nötigen Kanalbau könnten zahlreiche weitere Arbeitsplätze entstehen. Insgesamt würde bei diesem Szenario die Zahl der Arbeitslosen mindestens halbiert werden. Andreas Gröhn

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