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Schwere Trommeln in Portadown

Am Samstag hat der nordirische Oranier-Orden erneut versucht, seine traditionelle Parade in Portadown abzuhalten. Durch die katholische Garvaghy Road kamen sie nicht durch – eine Niederlage bei der Kraftprobe  ■ Aus Portadown Ralf Sotscheck

Sie haben sich rote Zipfelmützen aufgesetzt und weiße Bärte umgehängt, schließlich ist Weihnachtszeit. Aber „The Blues“ aus dem nordirischen Armagh, eine Kapelle des protestantischen Oranier-Ordens, haben mit christlicher Nächstenliebe nichts im Sinn. Sie stehen gemeinsam mit 3.000 anderen Oraniern am Samstag wieder einmal an der Polizeisperre in Drumcree, einem Ortsteil der Kleinstadt Portadown, und verlangen, über die katholische Garvaghy Road marschieren zu dürfen.

Seit mehr als fünf Monaten versuchen sie, ihre Parade zum Gedenken an die Schlacht an der Somme zu Ende zu bringen. Weil sich die Oranier weigerten, mit den katholischen Anwohnern der Garvaghy Road zu verhandeln, waren die Einigungsversuche von vornherein zum Scheitern verurteilt. Der Ausschuß, der für die Paraden zuständig ist, untersagte den Marsch Anfang Juli, und jeder neue Antrag wurde ebenfalls abschlägig beschieden. Seit fünf Monaten lebt Harold Gracey, der 62jährige Großmeister der Oranier-Bezirksloge von Portadown, in einem Wohnwagen hinter der Kirche von Drumcree und protestiert.

Jeden Abend kommt Verstärkung, mal mehr, mal weniger Leute, es hängt vom Wetter ab. Seit Juli haben in Portadown mehr als 130 Protestparaden stattgefunden, das ist fast eine pro Tag. Und es blieb keineswegs immer friedlich. Drei katholische Kinder kamen ums Leben, als ihr Haus in Brand gesteckt wurde. Zwei katholische Geschäfte wurden ausgebombt. Der Polizist Frankie O'Reilly wurde bei den Auseinandersetzungen um Drumcree getötet. Die kleine katholische Minderheit Portadowns traut sich nicht mehr in die Innenstadt.

Am Samstag hat die örtliche Loge ihre Ordensbrüder aus ganz Nordirland zusammengetrommelt. Von den erhofften 10.000 kommen aber nicht mal ein Drittel, doch viele von denen sind fest entschlossen, die Sperren niederzureißen. Polizei und Armee haben neben der Kirche von Drumcree einen Graben ausgehoben, die Straße ist von einem Panzerwagen mit ausgeklappten Seitenteilen blockiert. Eine Kapelle nach der anderen marschiert unter schwerem Trommeln der Lambeg Drums an die Barrikade und dreht wieder ab.

Abseits davon, auf der Wiese, stehen sich maskierte Jugendliche und ebenso maskierte Polizei in Kampfausrüstung gegenüber. Da Nordirlands Polizei zu 93 Prozent protestantisch ist und die Beamten in protestantischen Vierteln wohnen, wollen sie nicht erkannt werden. Als oben an der Barrikade ein Tenor die protestantische Hymne „Come all ye faithful“ singt, wird das Lied durch den dumpfen Knall von Plastikgeschossen übertönt. Die Polizisten schießen auf ein paar Jugendliche, die Feuerwerkskörper werfen und über den Graben springen. „Selbst wenn sie die Barrikaden überwinden“, sagt ein Beamter, „würden sie sich nicht auf die Garvaghy Road trauen, wenn wir nicht da wären, um sie zu schützen. Den Oraniern geht es hier um einen Machtkampf.“

Auch David Trimble, Unionistenchef und designierter nordirischer Premierminister, ist Mitglied im Orden. Allerdings will seine Loge ein Disziplinarverfahren gegen ihn anstrengen, weil er an der Totenmesse für die drei katholischen Kinder teilgenommen hatte, die bei dem Bombenanschlag in Omagh im August ums Leben gekommen waren. Die Mitglieder im Oranier-Orden müssen sich nämlich verpflichten, „keine Feier und keinen Akt papistischer Gottesverehrung durch ihre Anwesenheit oder anderswie zu begünstigen“. Trimble sagt, daß viele Oranier ihm zugute halten, er habe „unter den gegebenen Umständen christlich gehandelt“.

Bei dem Anschlag von Omagh waren 29 Menschen ums Leben gekommen. Die IRA-Absplitterung erklärte danach einen Waffenstillstand, auch die protestantische Splittergruppe Loyalist Volunteer Force (LVF), auf deren Konto zahlreiche Morde gehen, legte ihre Waffen nieder. Am Freitag begann die Organisation als erste damit, Waffen an die Abrüstungskommission zu übergeben. Hochburg der LVF ist Portadown, doch bei den dortigen Oraniern denkt man nicht an versöhnliche Gesten.

Die vorweihnachtliche Kraftprobe haben sie zwar verloren, aber bis Silvester sind fünf weitere Paraden geplant. Und Harold Gracey wird in seinem Wohnwagen ausharren, bis seine Leute über die Garvaghy Road marschiert sind und die Machtverhältnisse in Nordirland wieder geradegerückt sind. Es gibt verschiedene Hinweise, daß das im Juli nächsten Jahres, wenn der Tag der neuen Parade gekommen ist, der Fall sein wird.

Denis Watson, der Ordenschef der Grafschaft, sieht dafür auch finanzielle Gründe: „Wenn man die Parade durchläßt, gibt es in den katholischen Vierteln ein paar Tage lang gewalttätige Ausschreitungen. Die bisher 166 Tage unseres Protests haben Millionen Pfund gekostet. Will die britische Regierung behaupten, daß dies eine kluge Investition ist?“

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