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Naturschützer drohen mit Agenda-Austritt

■ Der BUND will aus dem Agenda 21-Prozeß auscheren, wenn sich nichts an der Flächenpolitik des Senats ändert

Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Bremens größter Umweltverband, droht damit, sich aus dem Agenda 21 Prozeß für nachhaltige Stadtentwicklung zu verabschieden. Grund für die Wut: Die Flächenpolitik des Senats. „Spätestens seit der Entscheidung des Wirtschaftskabinetts letzte Woche ist uns klar geworden, daß der Agenda 21-Prozeß zu einem reinen Papiertiger geworden ist“, sagt Georg Wietschorke vom BUND.

Eine Entscheidung über das Ausscheiden könnte im Januar fallen. Falls weitere Umweltverbände nachziehen, wäre das vermutlich das Ende des Agenda-Prozesses in Bremen. Ein Scheitern wäre eine Niederlage für Bürgermeister Henning Scherf, der den 1996 begonnenen Agenda-Prozeß zur Chefsache erklärt hatte.

Am letzten Donnerstag hatte das sogenannte Wirtschaftskabinett des Senats (Bürgermeister, Wirtschaftssenator, Häfensenator und Finanzsenator) überraschend beschlossen, für 120 Millionen Mark 740 Hektar Landschaftsschutzgebiet in der Mahndorfer/Arberger Marsch zu kaufen, um dort Gewerbe anzusiedeln. Auf der gleichen Sitzung wurden die Pläne begraben, das Gebiet Stadtwerder bei der „umgedrehten Kommode“ zu nutzen, um Trinkwasser wieder aus der Weser zu gewinnen. Dort sollen jetzt hochwertige Wohnungen und Büros entstehen.

Beide Entscheidungen stünden im eklatanten Widerspruch zu den Gedanken der Agenda 21, argumentieren die Umweltschützer. Scherf hatte in seinem Aufruf zur lokalen Agenda 21 vor drei Jahren im Rathaus erklärt: „Gerade in Zeiten enger finanzieller Spielräume müssen Investitionen auf ihre langfristigen Auswirkungen hin überprüft werden.“ Mehr als Worte seien das nun nicht mehr, moniert der BUND.

„Besonders erschüttert hat uns das Demokratieverständnis von Hennig Scherf, Wirtschaftssenator Josef Hattig und der anderen Kabinettsmitgliedern“, sagt Wietschorke. Wie in einer „Oligarchie“ sei die Entscheidung zum Flächenverbrauch gefallen – das Parlament wurde ebensowenig gefragt wie Bürger oder Umweltverbände.

Hermann Cordes, Biologie-Professor an der Bremer Uni, geht noch weiter. Für ihn ist die Bebauung des Marschlandes ein Verstoß gegen Naturschutzrecht und damit illegal. Die Trinkwassergewinnung am Stadtwerder sei Anfang des Jahres noch vom Senat begrüßt worden – jetzt werde auf einmal die Chance vertan, ein Drittel des Trinkwassers in Bremen zu gewinnen.

Schon vor einigen Monaten hatte der BUND gedroht, sich nicht weiter an den Gesprächen für eine nachhaltige und ökologische Entwicklung Bremens zu beteiligen. Grund damals: Die geplante Verklappung von TBT-verseuchtem Hafenschlick im Wattenmeer und die Bebauung des Hollerlandes. Mit den neuen Entscheidungen des Wirtschaftskabinetts scheint das Maß für den BUND voll zu sein.

Der Stadtwerder, so werden sie jetzt als ersten Schritt beantragen, soll zu einer Wasserschutzzone 1 erklärt werden, so daß die Bebauung nicht mehr möglich ist. Die Grundstückseigentümer in der Arberger/Mahndorfer Marsch werden aufgefordert, ihr Land „nicht in einem Schnellschußverfahren“ an die Immobilienmakler des Senats zu verkaufen. Die Oppositionsparteien sollten überlegen, ob eine „Normenkontrolle“ vor dem Staatsgerichtshof wegen Verletzung des Haushaltsrechts Aussicht auf Erfolg hätte. Genau das, so berichtet Dieter Mützelburg von den Grünen, werde derzeit geprüft.

Christoph Dowe

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