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Sein statt Machen

■ Seit dem Verbot ihres Zentralorgans "Egin" hatten die baskischen Linksnationalisten keine Zeitung mehr. Jetzt gründen sie "Gara"

Gara – ongi etorri“ – „Gara – Herzlich Willkommen“ steht auf den Aufklebern zu lesen, die dieser Tage die Theke zahlreicher Kneipen und Geschäfte im Baskenland zieren. Der Gruß gilt der neuen Tageszeitung aus dem Umfeld der baskischen Linksnationalisten von Herri Batasuna (HB), dem politischen Arm der Separatistengruppe ETA. Mitte Januar soll die Zeitung auf dem Markt sein und den Platz füllen, den ihr Vorgänger Egin unfreiwillig preisgab, als der Madrider Ermittlungsrichter Baltazar Garzón im Juli Redaktionsstube und Druckerei schließen ließ – wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“.

„Hier im Baskenland sind Dinge möglich, die sonst nirgends gehen“, sagt die neue Gara-Herausgeberin Mertxe Aizpurua zufrieden. Sie meint damit die breite Unterstützung, die das neue Blatt genießt. 800 Millionen Peseten – umgerechnet neun Millionen Mark – hat die 65köpfige Zeitungscrew in den letzten zwei Monaten gesammelt. „Das meiste Geld stammt von Privatpersonen, die Aktien unseres neuen Verlages gekauft haben“, erzählt die 38jährige Journalistin, die zuvor bei Egin die Chefredaktion führte: „Der Rest kam durch unzählige Veranstaltungen herein.“ So wurde z.B. auf der Radrennbahn in San Sebastián zugunsten von Gara ein Großkonzert mit namhaften spanischen Künstlern veranstaltet. „Und den Kopf der Zeitung gestaltete der international renommierte baskische Bildhauer Jorge Oteiza“, ergänzt Mertxe stolz die Liste der prominenter Unterstützer.

Die breite Sympathie wurde nicht zuletzt durch eine entscheidende politische Wende bei den radikalen Nationalisten möglich. Die Terroristen der ETA wahren seit drei Monaten einen unbefristeten Waffenstillstand. Und ihr politischer Arm, HB, wird erstmals politische Verantwortung in Spaniens rebellischen Nordprovinzen übernehmen. Das von HB ins Leben gerufene Wahlbündnis Euskal Herritarrok – „Baskische Bürger“ – unterstützt eine gemäßigt nationalistische Minderheitsregierung.

Auch der Name des neuen Blattes spricht vom Wandel. Stand Egin („Machen“) für Aktionismus und bedingungslose Verteidigung des bewaffneten Kampfes, will Gara („Wir sind“) „all denen eine Stimme geben, die am Aufbau des Baskenlandes mitarbeiten wollen“, erklärt Mertxe. Dabei hat die Redaktion die Anhänger der 26 Parteien, kulturellen und gesellschaftlichen Gruppierungen im Auge, die mit ihrer im baskischen Dorf Lizarra Anfang September verabschiedeten Erklärung „eine Dialoglösung“ für den seit 30 Jahren schwelenden bewaffneten Konflikt einforderten und damit den Weg zum ETA-Waffenstillstand eröffneten.

„Wir hoffen mit der neuen Linie die Egin-Auflage von 60.000 auf weit über 100.000 anheben zu können“, sagt Mertxe. Gara wird dreisprachig erscheinen. Dabei werden keine Nachrichten übersetzt, sondern je nach Autor wird der Artikel auf spanisch, baskisch oder französisch abgedruckt. Tägliche wechselnde, zwischen 8 und 16 Seiten starke Sonderbeilagen sollen spezielle Leserinteresse von Jugendkultur über Bergsport bis hin zum Umweltschutz bedienen. Sonntags wird es ein 64seitiges Magazin „für die ganze Familie geben.

Vertrieben wird Gara nicht nur in der baskischen Autonomieregion, sondern auch in der Nachbarregion Navarra und den drei Baskenprovinzen auf französischem Boden, die für die Nationalisten zu einem angestrebten unabhängigen Baskenland gehören sollen.

Während die neue Druckmaschine erste Versuchsläufe hinter sich bringt, träumt man bei Gara bereits von neuen Projekten: „Schon bald soll ein Radio auf Sendung gehen und das ebenfalls geschlossene Radio Egin ersetzen“, sagt Mertxe Aizupurua, „und wenn das alles steht, dann kommt das Fernsehen.“ Reiner Wandler

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