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„Wir ermitteln in alle Richtungen“

Sind die Bahnerpresser ehemalige Eisenbahner? Das BKA will sich dazu nicht äußern, auch die Bahn schweigt. Dafür melden sich reihenweise Trittbrettfahrer. Testzüge sollen nun vor weiteren Anschlägen schützen  ■ Von Georg Löwisch

Berlin (taz) – Womöglich wäre den Erpressern noch zugetraut worden, sie könnten Berge rutschen lassen. Da war es gut, daß Bundesgrenzschutz und Deutsche Bahn umgehend erklärten, ein Anschlag der Bahnerpresser könne ausgeschlossen werden, als gestern morgen ein Nahverkehrszug bei Trier gegen einen abgerutschten Felsen fuhr. Gleichwohl sind zur Zeit überall die Nerven angespannt. Um so mehr, als am Montag abend Anrufer die Bahnhöfe Lübeck, Kiel und Berlin-Lichtenberg bedrohten – wenn auch ohne Folgen.

Gestern früh meldete dann in Fulda ein anonymer Anrufer bei der Feuerwehr, auf dem Bahnhof werde eine Bombe explodieren. Immerhin kam schnell die Entwarnung, weil keine Bombe gefunden und der Anrufer erwischt worden war. Ein Polizist wurde auf den Mann aufmerksam, als er sich ausgerechnet bei einer Telefonzelle in der Nähe des Bahnhofs herumdrückte. Er gestand und redete wirres Zeug. „Ein Trittbrettfahrer“, erklärte die Polizei.

Die Erpresser, die unter dem Namen „Freunde der Bahn“ zehn Millionen Mark fordern, arbeiten dagegen professionell. Bei den drei Anschlägen, die laut Bundeskriminalamt „möglicherweise“ zusammenhängen, wurden Schrauben von Gleisen und an einer Weiche gelöst oder entfernt. Zuletzt entgleiste am Freitag in Mecklenburg- Vorpommern ein Güterzug. Am 8. Dezember passierte nichts, als auf der Hochgeschwindigkeitsstrecke Hannover–Berlin ebenfalls manipuliert worden war. Ebenso im brandenburgischen Wilmersdorf, wo am 29. November Gleisbeschädigungen entdeckt wurden.

Auf einer bestimmten Länge oder in Kurven ist diese Methode viel gefährlicher, als etwa mit Bäumen die Strecke zu blockieren. Schon am Montag kursierten deshalb unter Bahnmitarbeitern Gerüchte, das Vorgehen lasse möglicherweise auf ehemalige Eisenbahner schließen. „Stammen sie aus den eigenen Reihen?“ verbreitete dann gestern die Bild-Zeitung: Die Täter würden den Zugverkehr auffällig genau kennen.

Dafür, daß es zumindest Fachleute sind, spricht nicht nur die Methode, sondern auch das Werkzeug. Die nötigen 20 bis 40 Schrauben können zwar auch mit großen Schraubenschlüsseln herausgedreht werden, das würde aber vermutlich lange dauern. Einfacher geht es mit Schraubmaschinen, die Bahn und Baufirmen einsetzen, aber nur schwer erhältlich sind.

Das Bundeskriminalamt wollte gestern nicht sagen, ob es die Täter für Insider hält. „Wir ermitteln in alle Richtungen“, erklärte Sprecher Gerhard Schlemmer. Die Bahn AG äußert sich zu der Erpressung nicht.

Neben Überwachungsmaßnahmen von Bundesgrenzschutz und Kontrollflügen mit Bundeswehr- Tornados setzt die Bahn inzwischen Testzüge ein. Bevor morgens der erste Zug losbraust, fahre über manche Strecken erst eine Lokomotive mit Führer und Grenzschutzbeamten, sagte Manfred Schell, Chef der Lokführergewerkschaft, gestern zur taz. „Es ist ja ein Unterschied, ob ein Zug mit 160 runterdonnert oder eine Lokomotive mit Scheinwerfern und Nachtsichtgeräten fährt.“

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