: Ungeliebter Ballon über China
Der Versuch, die Welt im Ballon zu umreisen, wäre gestern fast an den Behörden Chinas gescheitert, nachdem das Unternehmen vom Kurs abgekommen war ■ Von Ralf Sotscheck
Dublin (taz) – Der schwedische Ballonpilot Per Linstrand und seine beiden steinreichen Copiloten Richard Branson und Stephen Fossett schwebten bei ihrem Versuch der Erdumkreisung gestern mit ihrem Heißluftballon über China, und dort durften sie eigentlich nicht sein. Das fanden die chinesischen Behörden auch und forderten die Ballonfahrer zur Landung auf. Davon wollten die Weltrekordler allerdings nichts wissen. Den vorgesehenen Landeplatz bei Lhasa ließen sie unter sich liegen, funkten „Wir können nicht!“ an die Erde und flogen weiter. Bis über unwegsames Gelände, wo sie tatsächlich nicht mehr landen konnten. Erst nach hektischen Bemühungen der britischen Diplomatie ließen die Chinesen den Ballon schließlich doch passieren.
Ursprünglich hatte das Team geplant, lediglich den Südzipfel Chinas zu überqueren, wofür sie auch die Genehmigung hatten, doch Stürme über dem Mittelmeer und die Bombardierung Iraks zwangen sie 400 Kilometer weiter nördlich. Als Anfang der Woche klar wurde, daß der Ballon von seinem Kurs abkommen würde, schaltete sich sogar der britische Premierminister Tony Blair ein. Er schickte ein Fax an seinen chinesischen Amtskollegen Zhu Rongji und bat um dessen Hilfe. Das Außenministerium in Beijing erklärte, daß man die neue Route nicht billige, aber offenbar will man den Ballon auch nicht zur Landung zwingen.
Der Ballon „ICO Global“ ist am Freitag in Marokko gestartet. Für die Abflugfeier hatte Branson 400 Nomaden und ihre Kamele gemietet. Schon am nächsten Tag gab es Schwierigkeiten, als Libyen erst nach einer „persönlichen Botschaft“ Bransons an Colonel Gaddafi die Fluggenehmigung erteilte. 97 Länder haben ihnen diese Erlaubnis gewährt, nur Iran, Irak, Rußland und Nordkorea nicht.
Der Ballonflug ist eine gigantische Reklameshow, und da die Konkurrenz mit der Irak-Krise und Clintons Amtsenthebungsverfahren stark ist, mußte Bransons Pressebüro alle Register ziehen. Nachdem Libyen gemeistert war, befiel den Multimilliardär plötzlich das „Trockenlungen-Syndrom“. Müßte er etwa aufgeben? Aber nein, einen Tag später war er wieder gesund und konnte den Ballon in einem Korridor zwischen Rußland und dem Iran hindurchmanövrieren. Und nun das Theater mit China. „Wir hatten seit dem Start im Durchschnitt 2,6 Krisen am Tag“, sagte Mike Kendrick, der Direktor des Projekts in der englischen Bodenstation. Ein ehemaliger Angestellter Bransons sieht es etwas nüchterner: „Richard würde selbst zur Öffnung eines Briefumschlags erscheinen, wenn er dafür eine Schlagzeile bekäme.“
Ballonfahrten gibt es seit 215 Jahren. Als erste brachten die Brüder Montgolfier 1783 einen Ballon in die Luft. Er stieg 300 Meter hoch, flog fast einen Kilometer weit und knallte dann unsanft zu Boden. Fünf Monate später schafften die Franzosen Pilatre de Rozier und der Marquis d'Arlande in Paris den ersten bemannten Ballonflug. Seitdem gab es Rekordversuche. In den vergangenen achtzehn Jahren haben nun eine ganze Reihe von Leuten die Erdumrundung probiert, doch alle mußten früher oder später notlanden, darunter auch Branson, dem dieses Mißgeschick bereits mehrfach widerfahren ist.
Eines steht allerdings jetzt schon fest: Mit Heißluftballons kann Branson besser umgehen als mit Eisenbahnen. Vorgestern wurde bekannt, daß Virgin Railways, die Eisenbahngesellschaft, die Branson nach der Privatisierung der britischen Bahn gründete, im vergangenen Jahr an 148 Tagen „keinen effektiven Service“ angeboten habe. Virgin erklärte die Tage für „ungültig“, was bedeutet, daß die Kundschaft Recht auf Schadenersatz hat.
Es bedeutet aber auch, daß die Tage in der Statistik gar nicht mehr auftauchen und das Unternehmen in glänzendem Licht erscheint. Vielleicht sollte Virgin die Passagiere künftig im Ballon befördern. Der schlechte Bahnservice lag am Wetter, sagte der Pressesprecher. Hoffentlich zwingen Wetter oder Chinesen die Ballonflieger nicht, ihren Rekordversuch für ungültig zu erklären.
Portrait Seite 13
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