„Nicht zu unterdrückender Spieltrieb“

■ Rund 8000 Menschen in Hamburg sind spielsüchtig. Der Staat profitiert davon. Offiziell ist die Sucht nicht als Krankheit anerkannt

Spielen ist eine heimliche Sucht. Wie bei AlkoholikerInnen oder HeroinkonsumentInnen ist die Droge zwar zentraler Lebensinhalt der Süchtigen. Doch SpielerInnen haben keine Fahne und torkeln nicht. Nachbarn, Kollegen und Freunde merken kaum, worum ihr Leben kreist.

Rund 8000 Menschen in Hamburg sind spielsüchtig. Auffällig werden viele erst in dem Moment, in dem ihnen das Geld ausgeht. Etwa die Hälfte der SpielerInnen widmet sich dann der Beschaffungskriminalität: Sie begehen Diebstähle, Betrügereien und veruntreuen Geld, um weiterhin ihre Tage vor dem Spielautomaten oder im Casino verbringen zu können. Das geht aus einer Studie von Gerhard Meyer von der Universität Bremen hervor.

Selbst vor Gewaltdelikten wie Banküberfällen schrecken einige Spielsüchtige nicht zurück. Anfang September wurde in Hannover ein Glücksspieler zu lebenslänglicher Haft verurteilt, der nach einem Banküberfall auf der Flucht einen Mann erschossen hatte. Und in Dresden wurde jüngst ein Mann verhaftet, der innerhalb von 16 Monaten 16 Banküberfälle begangen hatte – auch er ein Spieler.

Das Glücksspiel ist gesetzlich legitimiert. Nach einem Urteil des Bundesgerichtshofs mußten Spielbanken eingerichtet werden, um „dem nicht zu unterdrückenden Spieltrieb des Menschen eine staatlich überwachte Betätigungsmöglichkeit zu verschaffen“. Für den Staat ist das eine lohnende Einnahmequelle. Er betreibt die Casinos und kassiert für jeden Automaten, der aufgestellt wird, Steuern. Sieben Milliarden Mark Vergnügungssteuer kassiert der Bund pro Jahr, 30 Millionen nimmt die Stadt Hamburg ein.

In dem Zusammenhang stört natürlich der Begriff „Sucht“. Offiziell, auch bei den Krankenkassen, heißt es verharmlosend „pathologisches Spielen“. Was nach einer belanglosen Facette klingt, hat für die Betroffenen weitreichende Folgen. Denn ihre Sucht ist nicht als Krankheit anerkannt, mit der Konsequenz, daß Therapien nicht bezahlt werden. Wer als Spieler in der Suchtambulanz eines Krankenhauses behandelt wird, dem bescheinigen die Ärzte daher oft eine Depression oder Suizidalität.

Daß für viele das Glücksspiel eher ein Unglücksspiel ist, hat man in Schleswig-Holstein erkannt. Dort verpflichtet das Spielbankgesetz die GlücksspielbetreiberInnen, eine Abgabe für „gemeinnützige Zwecke“ und für „Hilfseinrichtungen für Spielsüchtige“ zu entrichten. In Nordrhein-Westfalen und Berlin gibt es eine Beratungsstelle extra für SpielerInnen. In Hamburg nicht. Elke Spanner