piwik no script img

Keine Sterne für Afrikas Ölstaaten

Einst bescherte das Erdöl einigen afrikanischen Staaten Luxusautos und volle Staatskassen. Der Verfall der Rohölpreise stürzt Staaten von Nigeria bis Angola in massive wirtschaftliche und politische Schwierigkeiten  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Kaum eine Weltregion leidet unter dem historischen Tiefstand der Weltmarktpreise für Rohöl so sehr wie der Gürtel afrikanischer Staaten am Atlantischen Ozean. Gerade sie hatten gehofft, Frieden und Aufschwung auf den Ölexport bauen zu können. Von Lagos in Nigeria bis Luanda in Angola streichen nervöse Finanzminister ihre Budgets zusammen und verschieben dringend notwendige Investitionen auf übermorgen. Politiker warnen vor sozialen Unruhen und einer Ausdehnung der latenten bewaffneten Konflikte in der Region.

Zum Beispiel Nigeria, das 98 Prozent seiner Deviseneinnahmen aus dem Ölexport bezieht: Die Öleinnahmen des Landes beliefen sich 1996 und 1997 auf jeweils über 15 Milliarden Dollar – und 1998 werden es nach neuesten Schätzungen nur noch knapp 9 Milliarden sein. Der massive Einnahmeverlust liegt zum Teil an Störungen der Ölförderung wegen Unruhen im Niger-Delta. Der Hauptgrund aber sind die fallenden Ölpreise, die von über 21 Dollar pro Barrel des nigerianischen „Bonny Light“ 1996 auf unter 13 Dollar im Durchschnitt der Monate August bis Oktober 1998 gesunken sind.

Von den Öleinnahmen behält Nigerias Regierung sowieso nur einen Teil – der Rest geht wegen der Joint-ventures in der Ölförderung an die europäischen Erdölkonzerne. Die im Staatshaushalt verbleibenden Öleinnahmen betrugen 1997 12 Milliarden Dollar – für 1998 werden gerade noch 7,5 Milliarden erwartet. Schon dieser Verfall hat die Regierung gezwungen, 1,7 Milliarden Dollar zur Haushaltsdeckung aus ihren Devisenreserven abzuziehen. 1999 wird noch härter: Bei einem prognostizierten Rohölpreis von 10 Dollar pro Barrel bleiben gerade noch 5,7 Milliarden Dollar Öleinnahmen.

Das reicht gerade mal für die laufenden Kosten und den Schuldendienst. Aber im Mai 1999 soll eine demokratisch gewählte Regierung das Militärregime ablösen, und die Bevölkerung erwartet nach Jahrzehnten des ökonomischen Niedergangs soziale Verbesserungen und eine bessere Infrastruktur. Dafür wird nach jetzigem Stand kein Geld da sein.

Ähnlich schwierig ist die Lage im Tschad, dessen Präsident Idriss Deby für den Wirtschaftsaufschwung auf die jüngsten Ölfunde im Süden des Landes setzt. Diese sollen mit einer teuren Pipeline über Kamerun exportiert werden – aber das Projekt rechnet sich nur, wenn der Rohölpreis über 12 Dollar pro Barrel liegt. Beim jetzigen Stand müßten die ausländischen Finanziers eigentlich aussteigen. Dann bliebe Tschads Regierung, die zur Durchsetzung des Ölprojekts massiv gegen Kritiker vorgeht, auf dem trockenen. So ein Problem hat zumindest Nigeria nicht, das sein Öl nie teurer als für 3,50 Dollar pro Barrel fördert.

Manche Länder haben schon gehandelt. Kongo-Brazzaville, dessen Hauptstadt 1997 in einem Bürgerkrieg weitgehend zerstört wurde, kürzte seinen Staatshaushalt für bereits um ein Fünftel. Seitdem erhalten bewaffnete Gegner der Regierung wieder Zulauf. Auch Gabun hat eine Budgetkürzung von 15 Prozent verfügt. Noch tiefere Einschnitte erleidet Angola. Der laufende Haushalt wurde um 27 Prozent gekürzt. Zugleich verschlingt Angolas Armee mehr Geld, da sie derzeit im eigenen Land, in Kongo-Brazzaville und in der Republik Kongo kämpft.

Die spektakulärsten Zahlen wird wohl das winzige Äquatorial- Guinea aufweisen. Der neueste Ölstaat Afrikas mit weniger als einer Million Einwohnern, der 1997 durch die Aufnahme der Ölförderung ein Wirtschaftswachstum von 56 Prozent erzielte und hinter Südafrika zum größten Importeur von Mercedes-Limousinen in Schwarzafrika aufstieg. Aber nach einem solchen Jahr wird das Land eine Ölkrise wohl verkraften können.

Auch wenn die Ölpreise sich kurzfristig wieder leicht erholen, bleibt die Lage in Afrikas schwierig: Fast alle großen Ölfunde der jüngsten Zeit wurden im Meer gemacht, im ölreichen Küstensockel des Atlantischen Ozeans vor der zentralafrikanischen Westküste. Die besten Ölfelder sind Tiefseefunde, deren Ausbeutung teuer kommt. Es ist kaum damit zu rechnen, daß in vorhersehbarer Zeit eine solche Ölknappheit auf dem Weltmarkt herrscht, um die Tiefseeförderung vor Afrika lukrativ zu machen. Nur die Förderrechte haben die Ölmultis sich selbstverständlich längst gesichert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen