Konkurrenzgefühle bei der Behandlung unerwünscht

■ taz-Serie über Berliner Krankenhäuser (Teil 1): Beim „Schöneberger Modell“ ist die geforderte Verzahnung zwischen stationärer und ambulanter Versorgung bereits Wirklichkeit

„Natürlich kann man unser Modell auch auf andere Bereiche übertragen“, sagt Keikawus Arastéh. „Das wäre für die Patienten besser und manchmal auch billiger.“ Arastéh ist Oberarzt auf der Aids-Station im Auguste-Viktoria-Krankenhaus (AVK) in Schöneberg, einer Station, die mit ihren 38 Betten sowie einer Tagesklinik das bundesweit größte Aids-Zentrum ist.

„Stationäre Behandlung so kurz wie unbedingt erforderlich, ambulant so lange wie vertretbar“, so beschreibt auch Chefarzt Manfred L‘Age das „Schöneberger Modell“. Dieses Modell, dessen Motto sich anhört wie ein Slogan aus der aktuellen Klinik-Spardebatte, wird in Schöneberg bereits seit 1985 erfolgreich praktiziert.

Kern des Konzepts, das sich an das San Francisco General Hospital anlehnt, ist die enge Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Ärzten, Pflegediensten und dem Krankenhaus. Diese Zusammenarbeit macht vor allem für die HIV-Inifizierten oder Aids-Kranken einen schnellen Wechsel zwischen den unterschiedlichen Einrichtungen möglich. Außerdem bietet die Berliner Aids-Hilfe den PatientInnen im AVK psychosoziale Betreuung an; ein Sozialarbeiter hilft zu verhindern, daß mit den gesundheitlichen Problemen eine wirtschaftliche Verelendung einhergeht.

Die PatientInnen werden so lange wie möglich von ihren HausärztInnen behandelt. Wenn es ernst wird, steht im AVK ein Bett mit fachkundigem Personal sowie einem Bündel diagnostischer und therapeutischer Möglichkeiten bereit. „Deshalb behandele ich zum Beispiel auch unklares hohes Fieber, wie es häufig vorkommt und was gefährlich werden kann, zuerst ambulant“, sagt Elke Lauenroth- Mai, eine der niedergelassenen ÄrztInnen. Wenn einer ihrer PatientInnen aus dem AVK entlassen wird, wird Lauenroth-Mai informiert. „Wir können die Patienten früher nach Hause schicken“, sagt auch AVK-Arzt Arastéh, „weil wir wissen, daß es dort qualifizierte Ärzte und Pflegekräfte gibt.“

Letztere sind die dritte Säule des „Schöneberger Modells“. HIV e.V. ist einer der Pflegedienste, der Aids-Kranke bis zu 24 Stunden täglich pflegt und auch beim Sterben begleitet. Die HIV-MitarbeiterInnen können Infusionen verabreichen, was eine häusliche Pflege vieler Aids-Kranker überhaupt erst möglich macht. „Andere Pflegestationen machen das nicht, weil es rechtlich ungeklärt ist“, sagt Stefan Cremer von HIV e.V. Gelernt haben die PflegerInnen das Anlegen von Fusionen im AVK. „Wir haben viel Know-how an die Pflegedienste weitergegeben“, sagt Arastéh.

Einmal im Monat treffen sich die niedergelassenen ÄrztInnen, die in sogenannten Schwerpunktpraxen arbeiten und sich im Arbeitskreis Aids zusammengeschlossen haben, mit ihren KollegInnen aus dem Krankenhaus zu Fortbildungen und zum Erfahrungsaustausch. „Kommunikation und Vertrauen“ seien ganz wichtig, weiß Klinik-Arzt Arastéh. „So kann man verhindern, daß ein Konkurrenzgefühl entsteht.“ Das hört sich einfach an, ist aber ungewöhnlich. Meist gibt es schlicht keinen Kontakt zwischen den ambulant und den stationär arbeitenden MedizinerInnen. Aber warum klappt es im Auguste-Viktoria- Krankenhaus? „Wir waren damals auf die Zusammenarbeit angewiesen“, sagt Lauenroth-Mai. „Niemand kannte das Krankheitsbild in allen Facetten.“ Bei Krebserkrankungen sei das ganz anders: „Jeder Onkologe meint, er hat das Problem allein im Griff.“

Außerdem verstärke die Politik die starre Trennung zwischen ambulant und stationär, und auch die Kassen seien nicht in der Lage, einen gemeinsamen Topf für ambulante und stationäre Leistungen einzurichten. Lauenroth-Mai: „Da gibt es großen Handlungsbedarf.“ Sabine am Orde