■ Chronologie: Schwierige Geburt
1880: Erste Auflage des orthographischen Wörterbuchs von Konrad Duden. „Der Duden“ ist keine staatliche Veranstaltung.
1902: Die II. Orthographische Konferenz zwischen Deutschland und Österreich einigt sich auf amtliche Schreibregeln. Die Schweiz tritt ihnen bei. Konrad Duden begrüßt die staatliche Einigung, meint aber, „nur ein Zwischenziel“ sei erreicht: die Sprache vereinheitlicht – aber noch nicht verbessert oder vereinfacht.
1955: Die Kultusminister beschließen: In Zweifelsfällen gilt der Duden.
1974/1977: In der DDR und der Bundesrepublik gründen sich Kommissionen zur Reform der Rechtschreibung.
1980: Die beiden deutschen sowie die österreichische und schweizerische Rechtschreibkommission gründen den „Internationalen Arbeitskreis zur Rechtschreibreform“.
1992: Der Arbeitskreis veröffentlicht seine Reformvorschläge – die ersten seit der Orthographischen Konferenz von 1902. Verbände werden um Stellungnahmen gebeten, öffentliche Anhörungen finden statt.
1995: Bayerns Kultusminister Zehetmair erhebt Einwände gegen die Schreibung von Fremdworten; die Kultusminister gehen darauf ein und beschließen die Einführung der neuen Schreibregeln zum 1. 8. 98 mit einer Übergangszeit bis 2004.
1. Juli 1996: Deutschland, Österreich, die Schweiz, Liechtenstein und Länder mit deutschsprachiger Minderheit (Italien, Ungarn, Rumänien, Belgien) unterzeichnen die Wiener Absichtserklärung zur Rechtschreibreform.
Oktober 1996: Friedrich Denk bewegt auf der Buchmesse Intellektuelle zur „Frankfurter Erklärung“: 100 Schriftsteller lehnen darin Neuschreib ab.
1997/1998: Eine Flut von Klagen erreicht die Verwaltungsgerichte.
März 1998: Der Bundestag erklärt: „Die Sprache gehört dem Volk“ und fordert die Bundesregierung auf, vor Einführung der neuen Schreibung in den Bundesbehörden dem Parlament einen Bericht vorzulegen.
Juli 1998: Das Bundesverfassungsgericht weist die Beschwerde Lübecker Eltern gegen die Reform zurück. Karlsruhe sieht den Staat durch die Verfassung nicht gehindert, „Regelungen über die richtige Schreibung der deutschen Sprache in den Schulen zu treffen.“ Zuständig seien die Länder, einer gesetzlichen Grundlage bedürfe es dafür nicht.
1. August 1998: Neuschreib wird offiziell an den Schulen eingeführt. Die Behörden von 9 der 16 Bundesländer stellen ihr Amtsdeutsch auf Neuschreib um. Die anderen wollen folgen.
Dezember 1998: Bayern und Berlin geben die Einführung für 1999 bekannt. Die auch für andere Medien wichtigen Nachrichtenagenturen wollen zum 1. August 1999 die Rechtschreibung „weitestgehend umsetzen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen