Absurdes Theater wird zur tragischen Farce –betr.: „Irak bombardiert, die UNO getroffen“, taz vom 18. 12. 98

Als 1980 der erste Golfkrieg von Saddam Hussein gegen den Iran vom Zaun gebrochen wurde, gegen den er wegen der Verwerfungen der Islamischen Revolution leichtes Spiel zu haben glaubte, war es nicht etwa das Ziel der ach so zivilisierten Staatengemeinschaft, den Konflikt frühzeitig auszulöschen – nein, auch dieser Krieg war ein El Dorado des internationalen Waffenhandels. Todfeinde rüsteten ihre Freunde und deren Gegner aus. Die USA hatten die Wahl zwischen den islamischen Fundamentalisten aus dem Iran oder den säkularen Faschisten des Irak – so sahen sie selbst es wenigstens und unterstützten den letzteren. Strategisches Kalkül siegte also über menschenrechtliche Erwägungen.

Dem zweiten Krieg ging der Versuch Saddams voraus, mit legalen Mitteln seine riesigen Schulden gegenüber Kuwait erlassen zu bekommen. Das Ölfeld von Ramaila mindestens stand im Visier des Despoten von Bagdad. Unterstützt von irreführenden Signalen der amerikanischen Botschafterin April Glaspie – „wir haben keine Meinung zu interarabischen Konflikten wie beispielsweise ihre Grenzstreitigkeiten mit Kuwait“ –, eroberte Saddam in einem zweiten Angriffskrieg Kuwait. Dies führte zum zweiten Golfkrieg.

Unter der Führung der USA kämpfte eine Koalition westlicher Industriestaaten, verbündet mit konservativen arabischen (Feudal-)Regimen, gegen den Irak, der 1991 nach sechs Wochen besiegt war. Neben den kaum zu übersehenden Ölinteressen führten die Amerikaner auch den Kampf gegen den „neuen Hitler“ ideologisch ins Feld, der Israel mit Giftgas angreifen wollte und sich damit in die Tradition des deutschen Faschismus stellte – eigentlich hätte alles darauf hinauslaufen müssen, daß Saddam gestürzt würde.

Doch als die US-Amerikaner 200 Kilometer vor Bagdad standen, entdeckten sie – beraten von ihren saudiarabischen Freunden – die strategische Stabilität. Es müsse verhindert werden, daß der Irak auseinanderbreche, in dem die zerstrittene Opposition nicht verhindern könne, daß Kurden im Norden und Schiiten im Süden sich selbständig machten. Fazit der Strategie: Saddam konnte als Herrscher weitermachen, mußte sein nichtkonventionelles Potential abrüsten und bekam gelegentlich ein paar Bomben auf das Haupt, wenn er die Rüstungsinspektionen allzu ausführlich narrte.

So entstand im Lauf der Jahre ein absurdes Theaterspiel: Ein Faschist wird ebenso stabilisiert wie bombardiert; derweilen hungert sein Volk, die Kindersterblichkeit ist enorm erhöht, und ebendieses Volk wird durch die Sanktionen näher an seinen Herrscher geschweißt. Jetzt wird der Luftkrieg wiederaufgenommen, ohne daß klar erkennbar wird, was er bewirken soll. 10.000 zusätzliche Tote – Engländer und US-Amerikaner kümmern sie nicht. Wenigstens wird die Wirkungsweise neuer Waffensysteme ausprobiert. Das absurde Theater wird langsam zur tragischen Farce – eine humane Perspektive taucht nicht auf. Christian Schauer, Alzenau

betr.: „Angriffe auf Ziele im Irak gestoppt“, taz vom 21. 12. 98

[...] Hussein denkt heute noch weniger an ein Einlenken als vor der Krise. Im UNO-Sicherheitsrat sind die Fronten nun noch weiter verhärtet, so daß die Entscheidung zu einem neuerlichen Angriff bestimmt wieder nicht konsensfähig sein wird. Nebenbei hat man durch den Alleingang den Sicherheitsrat und die gesamte UNO brüskiert und degradiert. Ab jetzt wird sich jede Nation bei einem Alleingang auf die USA berufen können. Doch der amerikanische Verteidigungsminister spricht von einem Erfolg. Man habe das Waffenprogramm Husseins um mindestens ein Jahr zurückgeworfen.

Was war auch anderes zu erwarten? Nach dem politisch höchst fragwürdigen Vorgehen muß wenigstens das militärische erfolgreich gewesen sein. Daß es tatsächlich so erfolgreich war, bezweifle ich. Hussein hat seine chemischen und biologischen Kampfstoffe behalten. Zerstört wurden lediglich die Trägersysteme, und wieviel Hussein davon noch hat oder jemals hatte, scheinen auch Experten nicht zu wissen. Selbst wenn alle zerstört worden wären, er hat das Geld, das Wissen und vor allem den Fanatismus, um die „Jahre“ in wenigen Monaten wieder aufzuholen. Und Ruhe vor lästigen UNO-Inspektoren hat er jetzt zudem.

Das schlimmste ist jedoch, daß Hussein durch seinen „Sieg“ über die USA innenpolitisch unangreifbarer ist denn je. Statt des erklärten Ziels der USA, Hussein politisch im eigenen Land zu stürzen, haben sie also genau das Gegenteil erreicht.

[...] Der nächste Konflikt ist programmiert. Es wird kein Einlenken von irakischer Seite geben. Der UNO-Sicherheitsrat wird bei dem jetzigen Abstimmungsverfahren weiterhin keine Mehrheiten für Militärschläge bekommen. Ein erneuter Alleingang käme einem Gnadenschuß für die UNO gleich.

Gemessen an den (Er-)Folgen des Militärschlags hat der selbsternannte Weltpolizist USA versagt. Damit so etwas nicht noch einmal passiert, sollte man ihn zurückpfeifen. Doch dazu scheint niemand den Mut zu haben. Christoph Dold, 19, Schüler

[...] Nach dem Motto „Erst neue Waffen, wenn die alten verbraucht sind“ gehen nun die Militärs der USA, Großbritanniens und des Iraks wieder auf Einkaufstour. Und wieder müssen alle Völker für dieses grausame Spiel bezahlen.

Es ist schon bezeichnend für den Erfolg der verlogenen Propaganda, daß selbst die Gewerkschaften in den verschiedenen Ländern dieses üble und mörderische Spiel mitmachen, weil die Rüstungsprofiteure ja immer noch „sichere Arbeitsplätze schaffen“.

Die UNO bleibt weiterhin ausgeschaltet, weil nämlich die Menschen endlich Frieden und eine Welt ohne Not und Elend wollen, jedoch keine kriegslüsternen Rüstungsprofiteure und Militärs. Die Menschen sollen daher glauben, daß der sogenannte „Weltsicherheitsrat“ ein von der Völkergemeinschaft lizenziertes Gremium sei. Aber dieses von den USA beherrschte Gremium vertritt keineswegs die Interessen der friedliebenden Menschen. Vielmehr dient es den mächtigsten Staaten nur zur Durchsetzung ihrer wirtschaftlichen Machtansprüche. Beim Profit spielen Menschen und Moral keine Rolle mehr. [...]

Auch der zweite Golfkrieg hat kein einziges Problem gelöst! Er hat aber viele neue Probleme geschaffen! Werner Ortmann, Korschenbroich

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