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■ QuerspalteDie Schönheit der Doppelnull

Das neue Jahr hat angefangen. So viele Billigböller wie noch nie wurden verballert, diverse Finger wurden Chronos, dem Gott der Zeit, geopfert, zahlreiche Telefonzellen mit großem Getöse gesprengt, um dem verordneten Kommunikationsterror der Handy- und Internetindustrie etwas entgegenzusetzen. Sat.1 kaufte sich die Mitte Berlins, um sich in angemessener Kulissse als Branchenführer und Hauptveranstalter der Jahrtausendendfeier zu empfehlen und brach bezeichnenderweise kurz nach zwölf die Übertragung seiner Feierlichkeiten ab, um die Aufzeichnung eines Rolling- Stones-Konzertes zu senden. Viel Getöse um ein Jahr, dem doch etwas Vorläufiges und völlig Sinnloses anhaftet. Denn alles starrt auf die sogenannte Jahrtausendwende. So wirkte dieser Jahreswechsel wie die Weihnachtsetagen der Kaufhäuser im September – deprimierend und entmutigend.

Eigentlich freuen sich nur die Jünger diverser apokalyptischer Sekten auf die Jahrtausendwende. Da ist dann Schluß mit lustig; das Jüngste Gericht tagt ohnehin schon seit ein paar Jahren, wie die Zeit in ihrer originellen Milleniumssonderausgabe schrieb. Was bleibt noch zu tun, wenn alle Nachrufe auf dies Jahrtausend schon geschrieben wurden, wenn das Jahr 2000 schon lange vor seinem Beginn, nun ja: so vermufft altmodisch, ausgelutscht und viel uninteressanter klingt, als etwa 1970. Obgleich die doppelte Null etwas Schönes hat, geht mir das Jahr 2000 jetzt schon auf den Geist. 1969, 1970, 1984, 1985, 1999 wurden in schönen Liedern gepriesen (Stooges, Jimi Hendrix, David Bowie, Paul McCartney, Prince). Doch 2000 – das ist nichts, das hat nichts!

In der so tantenhaft wie größenwahnsinnigen Milleniumsausgabe der „Zeit“ war von den kommenden Gefahren („Ob sich der Mensch fortentwickelt oder beseitigt, entscheidet sich im kommenden Millenium“) und ihrer Beseitigung die Rede: „Die Losung zur Jahrtausendwende lautet: Das globale Volk muß sich anständig benehmen!“ Ich freue mich auf 2001! Detlef Kuhlbrodt

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