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Überstunden für Ronaldo, Zidane & Co

■ Fifa-Präsident Blatter, der die Fußball-WM alle zwei Jahre austragen will, hat die Topvereine in Schrecken versetzt. Aber sein erklärter Versuch, die Nationalteams gegenüber den von Banken und Medienunternehmen umworbenen Klubs aufzuwerten, dürfte zunächst scheitern: am Terminkalender der Kicker, an bereits vergebenen Fernseh- rechten und an Übersättigung der Fans.

Man kann Joseph Blatter eine Menge vorwerfen, aber nicht, daß er ein Dummkopf ist. Zwar ist der Vorschlag des Präsidenten des Fußballweltverbandes Fifa, die Weltmeisterschaft künftig alle zwei Jahre auszutragen, in etlichen Punkten noch so unausgegoren, daß Blatter selbst seine Aussagen mehrmals am Tag korrigieren muß. Dennoch gelang es ihm, eine ganze Reihe von Wespennestern in wohlkalkulierte Panik zu versetzen. Geschickt trieb der 62jährige Schweizer zum Beispiel einen Keil zwischen die Spitzenfunktionäre der europäischen Uefa und etliche ihrer Verbandsbosse. Die Topvereine, die gerade drauf und dran waren, die Macht im Weltfußball zu übernehmen, versetzte er in helles Entsetzen. Die Medienmoguln veranlaßte er durch die Verheißung neuer Dimensionen des Geldscheffelns zu wohlwollendem Schmunzeln. Und nicht zuletzt gelang dem Meister der Intrige ein selbstdarstellerischer Befreiungsschlag erster Güte.

Was hatte er alles versprochen, als man ihn im Juni zum Fifa-Präsidenten wählte, doch passiert war bisher nichts. Statt dessen gab es nur Ärger. Die Asiaten drohten mit Boykott der WM 2002 in Japan und Süd-Korea, weil sie inklusive der Gastgeber nur vier Teams schicken dürfen. Wegen der laschen Haltung in der Dopingfrage droht der Olympia-Ausschluß, und die Reformierung des Fußballs wurde ihm von den Spitzenklubs und ihren Finanziers einfach aus der Hand genommen. Sein spektakulärer Alleingang veränderte die Situation mit einem Schlag. Alles spricht nur noch von Blatter. Plötzlich darf er sich als der große Visionär fühlen, der er so entsetzlich gern sein möchte.

Als besonders clever stellte sich sein Winkelzug heraus, vorher keine Seele einzuweihen. Auf diese Weise heimste er nicht nur die gesamte Publicity ein, sondern untergrub auch die festgefügten Allianzen des Fußballs. Alle waren überrascht, niemand wußte auf Anhieb, was er sagen sollte, Absprachen waren in der Eile nicht möglich. Dies führte zu der kuriosen Situation, daß etwa Franz Beckenbauer die Sache großartig fand, obwohl sie sich direkt gegen Vereine wie Bayern München richtet, wo er immerhin als Präsident geführt wird.

Ebenfalls begeistert waren die Verbandschefs aus Frankreich, England, Italien und Österreich. Dabei geht der Vorschlag auch gegen ihre Dachorganisation Uefa, deren Europameisterschaft durch die WM-Inflation zum bloßen Qualifikationsturnier herabgewürdigt wäre. Uefa-Präsident Lennart Johansson, bei der dubiosen Wahl zum Fifa-Präsidenten an Blatter gescheitert, prügelte zwar pflichtschuldigst auf die Idee seines Widersachers ein. Doch nicht einmal DFB-Präsident Egidius Braun mochte seinem schwedischen Freund den Rücken stärken, sondern sprach von „kreativen Gedanken“ Blatters.

Funktionäre der weitsichtigen Sorte haben längst erkannt, daß der wahre Kampf um Macht und Geld inzwischen an einem anderen Schauplatz stattfindet. Seit die Uefa in Sachen Europaliga vor den reichen Vereinen auf die Knie fallen mußte, zeichnet sich ab, daß die Nationalmannschaften und damit die Verbände drastisch an Bedeutung verlieren. Dafür schicken sich die von Medienunternehmen, Banken und anderen Finanziers umworbenen europäischen Klubs an zu bestimmen, wohin der Weg führt. Verzweifelte Versuche der Fifa, diese Entwicklung zu bremsen, verliefen im Sande. Die angestrebte Klub-Weltmeisterschaft will niemand. Der Konföderationenpokal, an dem eigentlich die besten Nationalteams der Kontinente teilnehmen sollen, wird mit Absagen überschüttet. Darüber hinaus zeigen sich die Vereine zusehends unwillig, ihre wertvollen Ronaldos, Rivaldos und Zidanes für derartige Veranstaltungen oder Freundschaftsspiele freizugeben.

Blatters Plan einer WM im Zweijahresrhythmus ist der radikale Versuch, diese Tendenzen zu stoppen, und kommt nach dem großen weltweiten Erfolg der WM 1998 zu einem idealen Zeitpunkt. Entsprechend heftig fiel die Reaktion der mächtigen Vereine aus. „Ich kann mir nicht vorstellen, daß die großen Klubs zu einer solchen Reform bereit wären“, widersprach Bayerns Vize Karl-Heinz Rummenigge seinem Präsidenten Beckenbauer. Dortmunds Manager Michael Meier verwies darauf, daß die Spieler schließlich „zwölf Monate im Jahr von den Vereinen bezahlt werden“. Käme Blatter mit seinen Plänen durch, gäbe es mit WM, EM, EM-Qualifikation und Vorbereitung so viele Länderspiele, daß die Klubs froh sein könnten, wenn sie ihre Stars hin und wieder zu Gesicht bekämen. Eine Ausweitung der Europaliga und ähnliche Späßchen könnten sie sich getrost abschminken.

Der gedrängte Terminkalender ist nur eines der ungelösten Probleme in Blatters Konzeption. Neben dem juristischen Wirrwarr um bereits vergebene Fernseh- und Marketingrechte dürfte die entscheidende Frage sein, ob die Fußballfans mitspielen. „Wir senden den Fußball tot“, warnt ausgerechnet Sportchef Michael Pfad vom Pay-TV-Sender Premiere. Das Bezahlfernsehen gilt als zentraler Faktor bei der Finanzierung der großen Fußballereignisse der Zukunft, kommt aber, besonders in Deutschland, nicht recht aus den Startlöchern. „Wenn man glaubt, man könnte bei einer WM alle zwei Jahre das gleiche Geld wie für eine WM alle vier Jahre erlösen, ist dies eine Fehlkalkulation“, gibt auch WDR-Intendant Fritz Pleitgen zu bedenken.

Der Fifa-Präsident ist jedoch überzeugt, daß sich seine WM trotz der Verwässerung durch Vermehrung lohnen wird, und verweist auf andere Mannschaftssportarten, die alle einen Zweijahresrhythmus pflegen. Kein Argument für Bobby Charlton. „Das Warten auf die WM steigert ihren Wert“, sagte Englands Fußball-Heros und fügte hinzu: „Ich hoffe, die Gründe sind keine finanziellen.“ Es gibt also doch noch Romantiker im Fußball. Matti Lieske

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