piwik no script img

Neue Frauen ohne Land

Mit Inga Rumpf und Ina Deter kommen zwei schillernde Prototypen der 80er- Jahre-Emanzipation in die Fabrik  ■ Von Oliver Rohlf

Wer sich ein wenig auf der Homepage von Inga Rumpf herumtreibt, bekommt die Motivation der Hamburger Sängerin ziemlich direkt vor den Latz geknallt: Egal was Genre-Puristen so von sich geben, „Hauptsache, es ist geile Musik!“ Von Zweifel keine Spur, statt dessen immer voll „rin“ in die Emotionen und „rut“ aus den Emotionen. Musik ist, was von innen kommt. Für Röhre Rumpf zählt das Kreuzüber der Eckpfeiler Blues, Rock und Jazz. Ach ja, Soul ist auch dabei und Boogie sowieso.

Seit über 30 Jahren kennt die Künstlerin kein Halt und kein Pardon, wenn es darum geht, die Phrasierungen der menschlichen Seele voll auszureizen. Und die Rumpf weiß genau, was sie tut: Alles ist geil, hat Druck und muß die Transpiration anregen. Schließlich hat die gebürtige St. Georgianerin mit professioneller Musik begonnen, als man sich noch auf der Straße singend gegen die Mechanismen von Krieg, Heimatfilm und Wirtschaftswunder zur Wehr gesetzt hat, Körpergerüche nicht per se verdammt wurden und selbst Bandnamen wie City Preachers, Atlantis und Frumpy keine Kopfschmerzen verursachten. Damals galt der Musik Express noch als relevante Größe in der Presselandschaft, und selbst Udo Lindenberg konnte sich noch zurückhalten und bei den Straßenpredigern bloß brav Schlagzeug spielen.

Die 80er Jahre über ging Inga Rumpf wenigstens optisch als Laurie Andersons kleine Schwester durch und hantierte an synthetischen Klängen herum – mehr als „Funkrock goes Electro“ kam allerdings nicht dabei heraus. Seit 1993 arbeitet Inga Rumpf mit dem Pianisten Joja Wendt zusammen, und im Quartett geben sie vermutlich auch am kommenden Freitag in der Fabrik Coverversionen von Taj Mahal und Tony Joe White zum besten. Der Jazz-Blues hat Inga Rumpf anscheinend fest in seiner Hand, und das ist das beste, was beiden passieren konnte.

Dagegen wirkt eine Liedermacherin wie Ina Deter vergleichsweise kleinbürgerlich. Seit nunmehr 35 Jahren ist die 52jährige Künstlerin als Prophetin in Sachen Leidenschaft und Frauenbewegung unterwegs. Große Gesten sind ihre Sache nicht. Ob nun gern oder nicht, an „Neue Männer braucht das Land“ oder „Frauen kommen langsam – aber gewaltig“ werden sich wohl noch alle erinnern. Damals preschte die Berlinerin samt Stirnband und Gitarre auf den Wogen der Neuen Deutschen Welle nach vorne an die Charts – nur was sie da sollte, wußte niemand so genau. Ina Deter wohl am wenigsten. Ihr ging es weder 1982 noch heute um sinnfreie Zonen via Spaß und Verkaufszahlen, sondern um die Frage nach der geeigneten Form von Emanzipation und der Selbstverwaltung von Frauen.

Ihr Verständnis von Unterhaltung war immer eingebettet in eine Mission. Vor gut fünf Jahren setzte Ina Deter unter ihre Musiklaufbahn einen vorläufigen Schlußstrich und vergrub sich als Regieassistentin am Aachener Theater „K“: ein Schritt zur nötigen, rein persönlichen Neuorientierung. Als eine Konsequenz aus dieser vierjährigen Auszeit hat die gelernte Graphikerin ihr eigenes Label gegründet, um der Theorie der Eigenverwaltung und –kontrolle einen praktischen Boden zu geben. Mit früher ist heute vorbei und das jüngst erschienene Best-Of-Album Hits & Flops wurden bereits darauf veröffentlicht. Nichts neues, vielmehr ein kleines Ende als aller Anfang.

Inga Rumpf, Joja Wendt Quartett: Fr, 8. Januar / Ina Deter: Di, 12. Januar, jeweils 21 Uhr, Fabrik

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen