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Der Schweiger und sein Schattenmann

Erstes Training von St. Pauli: Reimann fehlt, Demuth hält sich zurück  ■ Von Eberhard Spohd

Beim ersten Training des FC St. Pauli gestern in der Alsterdorfer Sporthalle fehlte einer, auf den die Spieler gespannt warteten. Willi Reimann ließ sich nicht blicken. Präsident Heinz Weisener begründete das Fernbleiben des neuen sportlichen Beraters am Millerntor mit dem gesundheitlichen Zustand von dessen Frau. Der habe es nicht erlaubt, daß sich der 49jährige persönlich der Mannschaft vorstellte.

Das Training lag also in der Hand von Dietmar Demuth, bisher Co-Trainer der Fußballer. Doch auch er hielt sich sehr zurück und ließ seinen Stellvertreter Joachim Philipkowski machen. Damit ist schon jetzt zweierlei absehbar: daß Reimann sich – gezwungenermaßen – im Hintergrund halten und daß er trotzdem der starke Mann im sportlichen Bereich sein wird.

Dieses Coaching-Modell ähnelt dem Weg, den der VfB Stuttgart eingeschlagen hat. Winfried Schäfer wurde gefeuert, doch der neue Wunschtrainer Ralf Rangnick konnte nicht sofort verpflichtet werden. Statt dessen wurde sein Vertrauter Rainer Adrion bis zum Sommer als Interims-Coach berufen. Wenn er die Vorarbeit geleistet hat, übernimmt Rangnick die Mannschaft.

Auch der Schweiger von St. Pauli und sein Schattenmann kennen sich seit langer Zeit und wissen, was sie voneinander halten – und Reimann hält von Demuth nicht gerade viel. Als er den 47jährigen 1994 beim Hamburger Regionalligisten SV Lurup als Übungsleiter ablöste, äußerte er sich kritisch über dessen Arbeit: „Die Mannschaft ist in einem katastrophalen konditionellen Zustand.“ Später konnte Reimann seinem jetzigen verlängerten Arm beibringen, was für ihn gute Trainingsarbeit heißt: Immerhin war Demuth beim VfL Wolfsburg über zwei Jahre lang sein Co-Trainer.

Diese Rollenverteilung hat sich bei St. Pauli nicht geändert, auch wenn offiziell Demuth Cheftrainer ist. Denn Reimann tüftelt zu Hause in Norderstedt aus, was der Coach mit der Mannschaft zusammen umsetzen soll, und hält sich selbst die Option offen, doch noch als Chef einzusteigen.

Zum Plan gehört wohl auch, daß Klub-Mäzen Heinz Weisener wieder einmal sein Portemonnaie öffnet und Geld für neue Spieler bereitstellt. Schließlich kennt er das Geschäft lange genug, um zu wissen, daß neue Führer auch eine neue Gefolgschaft verlangen. Egal ob sie selbst an der Seitenlinie stehen oder nur als Mastermind im Hintergrund agieren.

Heute abend wartet auf Dietmar Demuth die erste offizielle Pflichtübung. Beim Hallenturnier um den Ratsherren-Cup in der Alsterdorfer Sporthalle spielen auch die Profis des FC St. Pauli mit. Dann wird Willi Reimann bestimmt in der Halle sein, sich seine zukünftigen Schützlinge genau anschauen und entscheiden, mit wem er am Millerntor weiterhin rechnet.

Eine Prognose ist nicht allzu gewagt: Dietmar Demuth gehört nicht zu denjenigen, denen eine lange Zukunft vergönnt sein wird.

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