: Liebling verliert an Höhe
■ Zum Abschluß der Vierschanzentournee gewinnt Andreas Widhölzl in Bischofshofen, geht der Gesamtsieg an Janne Ahonen, und Martin Schmitt gibt seine Rolle als Nationalheld vorerst auf
Als der letzte Sprung gesprungen war, feierten endgültig andere: Andreas Widhölzl aus Österreich freute sich über den Tageserfolg in Bischofshofen vor Janne Ahonen. Der Finne sicherte sich – ohne selbst einen Wettbewerb gewonnen zu haben – erst mit seinem allerletzten Sprung mit 960,6 Punkten den Gesamtsieg der Vierschanzentournee vor den Japanern Noriaki Kasai (953,0) und Hideharu Miyahira.
Schon nach dem ersten Versuch hatte sich Martin Schmitt auch noch von den letzten vagen Hoffnungen auf den Gesamtsieg verabschieden müssen. Nach seinem 14.Platz im letzten Springen reichte es auch in der Tourneewertung nur mehr zum vierten Platz.
Nach dem ersten Sprung der Konkurrenz, dem Sprung, der alles entschied, standen die üblichen, wenngleich hilflosen Analysen. „Zu früh am Tisch“ sei er gewesen, habe deshalb „keine Höhe“ bekommen und sei nun „ein biß'l enttäuscht“. Bereits zu diesem Zeitpunkt, stellte Schmitt fest, war die „Gesamtwertung endgültig abgehakt“. Dabei spielte ein fast erleichtertes Lächeln um seine Lippen. Allein sein Bundestrainer Reinhard Heß wollte glauben, sein Springer sei „etwas verärgert“. TV-Analyst Jens Weißflog mußte feststellen, daß Schmitt zwar „super gesprungen“ sei, aber eben nur „bis jetzt“, und befürchtet prompt ein nachlassendes mediales Interesse nach dem Hype.
Am Dienstag war Schmitt noch auf 133,5 Meter geflogen, was neuen Schanzenrekord bedeutet hätte, wäre die Weite nicht im Probedurchgang erzielt worden. Auf die eigentliche Qualifikation hatte er anschließend verzichtet, um „das Gefühl in den Wettkampf zu bringen“. Das mißlang gründlich.
Bereits drei Tage zuvor hatte Schmitt (20) nach seinem 13.Platz am Innsbrucker Bergisel, wo er in der Qualifikation gestürzt war und zwei verpatzte Sprünge im Wettbewerb abgeliefert hatte, feststellen müssen, wohl doch nur „ein Mensch und keine Maschine“ zu sein. Diese Erkenntis wurde nun in Bischofshofen schmerzhaft bestätigt. Er war endgültig nicht mehr der „Computer“, zu dem er von TV-Analyst Jens Weißflog nach den beiden Siegen zum Auftakt der Tournee ernannt worden war.
Die Frage ist nun, ob die märchenhafte Geschichte vom Aufstieg des Skispringers Martin Schmitt zum „deutschen Super- Adler“ (Bild), zum Hauptdarsteller der „Schmitt-Show“, der gar drohte, „im Strudel kreischender Mädchen“ (Welt am Sonntag) unterzugehen, weiter geschrieben wird. Zwar wurde dem neuen Liebling der Deutschen von Christian Knauth, dem Marketing-Direktor des Internationalen Ski- Verbandes FIS bescheingt, „wie geschaffen für die heutige Medien- Welt“ zu sein und „im Fernsehen toll rüber“ zu kommen. Aber ein Skispringer, der regelmäßig zweistellige Plazierungen einfährt, ist nur schwer vermarktbar, sei er noch so telegen. Bisher genossen die öffentlich-rechtlichen Sender unerwartete Einschaltquoten. Nun wird man sehen, was passiert, wenn ab dem nächsten Jahr RTL die Randsportart nicht nur bildlich gesprochen ins nächste Jahrtausend hieven wird. Der Kölner Sender wird im nächsten Jahr nicht nur erstmals Springen der Tournee übertragen, sondern sicherte sich gestern auch die Übertragungsrechte an der alle zwei Jahre stattfindenden Skiflug-WM.
Daß ihm die schnell gewonnene Berühmtheit „schon manchmal stressig“ wurde, stellte Schmitt schon während der Tournee fest. Dahingehend steht nun so oder so wieder Erholung an. Die Weltcup- Springen nach dem erfolgreichen Produkt Vierschanzentournee werden zwar weiter tapfer übertragen, aber verschwinden traditionell dann doch wieder in ihrem medialen Nischendasein. Wen interessiert schon ein Weltcup in Engelberg oder Zakopane, wohin die Springer nun reisen? Wer weiß schon, daß der Slowake Primoz Peterka, der gestern schwer stürzte, in den letzten beiden Jahren den Weltcup-Gesamtsieg holte?
So wird das Interesse wohl erst wieder vehementer werden, wenn Schmitt und Kollegen Mitte Februar nach Bischofshofen zurückkehren. Dort findet für die Springer die WM statt, da man im nahegelegenen Ramsau nicht extra Schanzen bauen wollte. Bis dahin hofft Schmitt, ganz der Student der Wirtschaftswissenschaften, der er ist, seine nun schon vergangenen Erfolge kämen trotzdem „unserem Sport zugute“. Thomas Winkler
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