: Die erweiterte Wiederverheiratung
■ „Eine zweite Chance“: Nach dem Scheitern der Ehe fällt frau sofort weich in alte Tradition
Wenn Töchter ernsthafte Probleme mit ihrer Ehe haben, wohin sollten sie – so das Muster Hollywood – flüchten, wenn nicht zurück ins Elternhaus? Hier schlagen sie dann ihr Basislager auf, und nach einer gewissen Schonfrist machen sie sich daran, ihre angekratzte weibliche Ehre wieder herzustellen. Man kann ihnen dabei zusehen, wie sie ihr Leben vor dem Hintergrund der ehelichen, sprich emotionalen Krise auf einem vermeintlich neuen Niveau der Selbsterhaltung zu meistern beginnen. Was gewöhnlich heißt, daß sie erstens wieder einen wunderbaren Mann finden (ihren geläuterten alten oder einen vielversprechenden neuen) und zweitens ein verborgenes Talent wieder neu in sich entdecken.
Die schöne, junge Ehefrau wird auf diesem Weg zur schönen, jungen, berufstätigen Ehefrau. Es ist eine Verwandlung, die weniger mit Veränderung als vielmehr mit der nachdrücklichen Bestätigung der althergebrachten Werte zu tun hat. Wollte man diesem Programm der erweiterten, modifizierten Wiederverheiratung einen Titel geben, er müßte lauten wie der des neuen Films von Forest Whitaker, „Eine zweite Chance“ („Hope Floats“). Deutlicher läßt es sich nicht auf den Punkt bringen, was dieses Genre an leutseliger, gesellschaftsstützender Botschaft transportiert. Doch Vorsicht, wo so akkurat mit den Mustern traditioneller Rollenerwartungen gespielt wird, wollen jedes Detail und jede Verschiebung gewichtet sein.
In aller Öffentlichkeit, sprich in einer Enthüllungstalkshow des Frühstücksfernsehens, erfährt Birdee (Sandra Bullock), daß ihr Ehemann sie schon seit längerem mit ihrer besten Freundin betrügt. Birdee, die dreimalige Schönheitskönigin aus High-School-Tagen, war gekommen, um sich ein neues „Make-over“ verpassen zu lassen. In einem zart-hellen Wollensemble, mit einem Reif im Haar sitzt Birdee verloren auf dem Sofa. Wenige Einstellungen später verläßt sie mit ihrer sechsjährigen Tochter Bernice (Mae Withman) das Trümmerfeld ihrer Ehe. Im Rückspiegel ihres Autos entfernt sich die Vergangenheit.
Allerdings nur, um gleich einer älteren und ohnehin mächtigeren Vergangenheit Platz zu machen. Die gescheiterte Schöne geht zurück zur Mutter nach Smithville, in die Idylle einer texanischen Kleinstadt, und macht das, was alle weißen Mittelstandstöchter in amerikanischen Durchschnittsfilmen in solchen Fällen tun. Sie läuft im Morgenmantel herum, schaut im Fernsehen alte Liebesfilme an und vernachlässigt ihr Aussehen. Erst als die Tochter wieder in perfekter Aufmachung das Haus verläßt, kann sich die etwas skurrile, aber immer noch damenhafte Mutter (Gena Rowlands) sicher sein, daß die Aktien nicht mehr fallen.
Ein bißchen geht es in solchen Filmen zu wie in der Yellow press. Was trägt sie, was zeigt sie, wo ist sie? Auch in solch adrett austarierten Garderobefragen dokumentiert sich, daß die Grenzen der Auseinandersetzung in diesem Genre eng gezogen sind. Obwohl im einzelnen schöne und manchmal durchaus subversive Effekte zu erzielen sind. Erinnert sei an dem Film „Power of Love“ von Lasse Hallström. Auch hier spielte Gena Rowlands die Mutter einer betrogenen Tochter (Julia Roberts als Grace), die nach erlittener Demütigung auf das Anwesen der Eltern zurückkehrt. Als sich Grace am Morgen des Tages, an dem sie die Untreue ihres Mannes entdecken wird, die Haare frisiert (geflochtener Zopf), fokussiert die Kamera ihre Hand und einen brillantenen Ehering. Die Gegenstände, die Haare, die Kleider – sie sind in dieser Einstellung alles andere als reine Dekoration.
Von solchen Feinheiten ist Whitaker freilich weit entfernt. Bei ihm sind die Zusammenhänge sehr viel direkter, vorhersehbarer. Noch dazu liefert Sandra Bullock als Tochter natürlich ein ganz anderes Bild als Julia Roberts. Während Roberts die Südstaaten- Tochter als intelligente, wortreiche und rebellische Prinzessin spielt, verläßt sich Bullock ausgesprochen auf ihre Physis. Ihre Darstellung ist griffiger, durchschnittlicher, einfacher. Manchmal aber auch eigenmächtiger. So kann es kein Zufall sein, daß Birdee, nachdem sie die Kontrolle über das eigene Bild in jener Talkshow verloren hat, zu fotografieren beginnt. Und trotz der Häme der ehemaligen Schulkolleginnen nimmt sie einen Job im örtlichen Fotoshop an. Dort werden aber insbesondere Hochzeitsbilder in ihren Händen zu einem unkenntlichen Etwas. Da sei es ihr fast verziehen, daß sie am Ende in einem Stapel geschwärzter Abzüge das Bild vom echten Prinzen findet.
Man kann es sich mit einem Film wie „Eine zweite Chance“ natürlich einfach machen und ihn als hundertprozentige Schmonzette verstehen. So wie man es sich auch mit seiner Hauptdarstellerin einfach machen kann. Alles, so lautet dann der Vorwurf, habe man mindestens schon einmal irgendwo anders besser gesehen. Nichts ist überraschend oder neu. Das ist wahr. Und doch liegt gerade darin ein Reiz zu vergleichen. Wie total werden die Klischees erfüllt? Wie minimal sind die Abweichungen? Das ist selbstverständlich keine Aufforderung, es sich unnötig schwerzumachen. Nur: Der Mainstream will eben tatsächlich immer wieder aufs neue verstanden werden. Elisabeth Wagner
„Eine zweite Chance“. Regie: Forest Whitaker. Mit Sandra Bullock, Gena Rowlands, Harry Connick jr. u.a. USA 1998, 114 Min.
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