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Iran gesteht Verwicklung in Morde

Die Ermordung von Regimekritikern im Iran zieht politische Kreise: Geheimdienstler werden festgenommen, ein hoher Justizbeamter wird Opfer eines Anschlags  ■ Von Beate Seel

Berlin (taz) – In Teheran hat sich ein kleines politisches Erdbeben ereignet. Zum ersten Mal hat eine iranische Regierungsstelle öffentlich zugegeben, daß es in der Islamischen Republik Terrorismus von Staatsbediensteten gegen Oppositionelle gibt.

Am späten Dienstag abend teilte das iranische Informationsministerium mit, es habe einen Ring von Geheimpolizisten aufgedeckt, die für die jüngste Mordserie an Regimekritikern verantwortlich seien. In einer Geste an den vergleichsweise gemäßigten iranischen Präsidenten Mohammed Chatami hieß es in der Erklärung an die Nachrichtenagentur Irna weiter, die Geheimpolizisten seien in Zusammenarbeit mit Chatamis Sonderermittlungsgruppe festgenommen und der Justiz überstellt worden. Es wurde nicht mitgeteilt, wie viele Personen verhaftet worden sind.

„Bedauerlicherweise haben einige unserer unverantwortlichen Kollegen mit fragwürdigen Gedanken diese brutalen Verbrechen begangen“, hieß es laut dpa in der Stellungnahme des Ministeriums, in dem Hardliner und Chatami- Gegner das Sagen haben. „Die festgenommenen Agenten sind ohne Zweifel zu Werkzeugen geheimer Hände geworden und haben diese Verbrechen in ausländischem Interesse verübt.“ Das Ministerium sehe klar „die Dimension und das Ausmaß dieser Katastrophe, die über seine Grenzen hinausgeht, da sie dem Ansehen des heiligen Systems der Islamischen Republik Iran einen schweren Schlag versetzt hat“.

Mit dem Verweis auf „ausländisches Interesse“ versucht das Ministerium offenbar zu retten, was noch zu retten ist. Denn niemand geringeres als Revolutionsführer Ali Chamenei persönlich hatte ausländische Agenten für die Morde verantwortlich gemacht. Die iranische Öffentlichkeit indes zu Jahresbeginn darauf vorbereitet, daß diese Version sich nicht halten ließ. Reza Amini, Berater des höchsten Richter Irans, Mohammed Yazdi, erklärte am 2. Januar gegenüber Irna, die „inländischen und ausländischen Hände“ hinter den Verbrechen würden aufgespürt werden. Amini fügte hinzu, daß die Morde auf zwei bewaffnete oppositionelle Gruppen hinwiesen, die in der ersten Zeit nach der iranischen Revolution 1979 aktiv waren.

Im November und Dezember waren im Iran fünf kritische Intellektuelle ermordet aufgefunden worden. Freunde der Ermordeten und Oppositionelle hatten die Vermutung geäußert, daß der iranische Geheimdienst für die Morde verantwortlich ist. Das Eingeständnis des Informationsministeriums ist vor dem Hintergrund des Machtkampfes im Iran ein Teilerfolg für Chatami. In iranischen Zeitungen, die dem Präsidenten nahestehen, wurden gestern politische Konsequenzen gefordert.

Nach einem Bericht der Frankfurter Rundschau von gestern soll ein „Krisenbewältigungsstab“ hinter den Morden stecken. Die Zeitung bezog sich dabei auf einen iranischen Politiker, der in Deutschland politisches Asyl beantragt hat. Der „Krisenbewältigungsstab“, dem Chamenei und Chatami angehören sollen, habe auch eine Schwarze Liste mit rund 180 Regimegegnern aufgestellt, von denen einige bereits ermordet worden seien.

Auf den Wagen des Chefs der Teheraner Justizverwaltung, Ali Rasini, wurde am Dienstag ein Attentat verübt. Rasini wurde schwer verletzt, ein Passant wurde laut Irna getötet, Rasinis Fahrer und zwei Passanten erlitten Verletzungen. Rasini gilt als Hardliner.

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