Deutschland will EU-Finanzen umverteilen

Wirtschaftsministerium legt Vorschlag zur Veränderung der EU-Finanzierung vor. Deutschland soll jährlich 10 Milliarden Mark weniger zahlen, und die kleinen Länder sollen stärker zu Kasse gebeten werden  ■ Von Daniela Weingärtner

Bonn (taz) – Pünktlich zum Beginn der deutschen EU-Ratspräsidentschaft hat der wissenschaftliche Beirat beim Wirtschaftsministerium ein Gutachten vorgelegt, das die deutschen Forderungen nach Nettoentlastung unterstützt. Die Experten halten grundlegende Reformen der Finanzstruktur für notwendig, nach denen Deutschland etwa 5 Milliarden Euro (etwa 10 Milliarden Mark) weniger überweisen müsse. Derzeit zahlt die Bundesrepublik netto 11 Milliarden Euro in den Gemeinschaftstopf.

Einstimmig empfahlen die 33 Beiratsmitglieder, die Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos) von seinem FDP-Vorgänger Rexrodt übernommen hat, das EUFinanzierungssystem in zwei grundlegenden Punkten umzubauen: Erstens sollen Ausgaben wieder auf die Mitgliedsstaaten zurückverlagert werden, zweitens soll die Aufteilung der Zahlungen unter den Staaten verändert werden.

In Zukunft sollen nach diesem Vorschlag nur noch diejenigen Maßnahmen zentral von Brüssel aus finanziert werden, die allen Mitgliedsstaaten zugute kommen. Subventionen für einzelne Länder sollten zwar gemeinschaftlich beschlossen, aber wieder mehr über die nationalen Haushalte abgewickelt werden. Mit mindestens 50 Prozent sollten sich die begünstigten Länder an den Kosten beteiligen. So soll sichergestellt werden, daß EU-Gelder nicht sinnlos verpulvert werden. Würde der Reformvorschlag konsequent umgesetzt, könnten die Gemeinschaftsausgaben für Agrar-, Struktur- und Regionalpolitik nach dieser Rechnung um 25 Prozent verringert werden. Deutschland würde allein in diesem Bereich 2,5 Milliarden Euro einsparen.

Der zweite Neuordnungsvorschlag betrifft die Grundlage, auf der die Beiträge der einzelnen Mitglieder berechnet werden. Bislang war allein der Anteil des jeweiligen Landes am gemeinschaftlichen Bruttosozialprodukt ausschlaggebend. Er soll weiterhin zu 80 Prozent in die Rechnung einfließen. Mit 20 Prozent soll aber die Stimmenverteilung im Europäischen Rat zu Buche schlagen. Luxemburg zum Beispiel hat im Rat zwei Stimmen, steuert aber nur 0,2 Prozent zum Gemeinschaftshaushalt bei. Deutschland hat zehn Stimmen und einen Beitragsanteil von 29,1 Prozent. Da die kleinen Länder im Rat ein unverhältnismäßig hohes Stimmgewicht besitzen und so die Mittelverteilung entscheidend mitbestimmen, sollen sie stärker als bisher zu Kasse gebeten werden.

Der politische Zeitpunkt für eine solche Diskussion ist günstig gewählt. Der Eigenmittelbeschluß der EU, der den Finanzrahmen auf maximal 1,27 Prozent des Bruttosozialprodukts aller Mitgliedsländer festschreibt, läuft dieses Jahr aus. Angesichts der geplanten Osterweiterung gilt eine Neuordnung der Finanzen als unumgänglich. Während der deutsche Vorschlag die reichen Kleinstaaten Luxemburg, Belgien und Dänemark treffen würde, kämen die Kürzungen in der Agrar- und Strukturpolitik vor allem Spanien, Griechenland und Portugal teuer zu stehen. Von diesen Verliererländern ist denn auch Widerstand gegen die Pläne zu erwarten. Frankreich und Deutschland als große Wirtschaftsmächte wären bei einer Kombination beider Reformen die großen Gewinner.