■ Querspalte: Denglish
Die französische Kultur ist in Gefahr, zumindest die Eßkultur. Denn das Drei-Gänge-Menü zur Mittagszeit ist vom Aussterben bedroht. Schon zwei Drittel der Franzosen haben mittags auf zwei Gänge reduziert, weshalb die Experten mit vollem Recht von einer „Zerstörung der Mahlzeiten“ sprechen.
Stoff für kulturkritische Abhandlungen gäbe es also genug, doch die Tageszeitung Le Figaro hat ganz andere Sorgen: die Beliebtheit von Anglizismen in Deutschland. „Unsere Nachbarn haben keinen Respekt für Goethes Sprache“, klagt das Blatt. Weil VW („New Beetle“), die Telekom („Citycall-Tarif“) und die Berliner Morgenpost („Simply the Best“) allesamt auf Goethe scheißen, kommt die Zeitung zu dem Schluß, die englische Sprache habe die deutsche „kannibalisiert“. Dagegen nimmt sich sogar noch Fritz J. Raddatz wie ein Softie aus. Der hatte vor fünfzehn Monaten, schwer getroffen von Peanuts und ähnlichem, in der Zeit die „Sprachkolonisierung“ Deutschlands angeprangert.
Das „Virus des Denglisch“, der Trend zur Vermischung beider Sprachen, sei letztlich zurückzuführen auf Hitler, analysiert die Zeitung messerscharf: „Sprache ist eine Form des nationalen Gefühls. Und seit Hitler ist alles, was eine Beziehung zur nationalen Identität hat, in Deutschland tabu.“ Da sind die Kollegen aus Paris nicht so ganz auf dem laufenden.
Vor vier Jahren trat in Frankreich ein bizarres Gesetz in Kraft, demzufolge die Verwendung ausländischer Wörter im Fernsehen, im Radio und in der Werbung verboten ist. Seitdem bilden sich manche Franzosen etwas darauf ein, daß sie es schaffen, weltweit verbreitete englische Begriffe zu vermeiden, also nicht Fax zu sagen, sonder „telecopie“. Leider hat Le Figaro übersehen, daß auch die vermeintlichen Dengländer noch einen anderen Begriff für Fax kennen: In einem guten deutschen Postamt, wo Goethe noch was zählt, finden sich Aufkleber, die darauf hinweisen, daß man dort einen „Telebrief“ abschicken kann. René Martens
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen