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Françoise Sagan als Mutter aller Riot Grrls

■ Vom Paradigmenwechsel in der Mode: Helmut Newton als Zeitschriftenfotograf

Man muß den Frauenfotografen nicht mögen, um vom Zeitschriftenfotografen Newton begeistert zu sein. Als Farah-Diba- Punks möchte man die Models mit den hochaufgetürmten Locken und dem Krönchen im Haargebirge heute bezeichnen. Überhaupt erstaunt es, daß in Paris, London oder New York eigentlich schon immer nur Riot Grrls unterwegs waren – jedenfalls seitdem Helmut Newton Mode fotografiert. Also seit Anfang der 60er.

So ganz stimmt das natürlich nicht. Die Mode drehte sich damals durchaus noch um die Dame. Doch viel auffälliger ist der Paradigmenwechsel, in dem sie zugunsten der jungen Frau, dem Partygirl von Mary Quant oder Courrège, endgültig verschwindet. Das läßt sich in einem Bildband beobachten, der eine verlegerische Meisterleistung ist. Denn nicht nur Newtons Fotokunst, sondern mehr noch der Zeitgeist und seine vorrangigen Transportmedien, die Modezeitschriften mit ihren kompletten Seitenlayouts, ihren Bildideen und Texten („You must take Courrège. We went to the Collections. We came out dancing in the streets.“), werden hier zur Anschauung gebracht: „Helmut Newton. Pages from the Glossies“.

Schon in dieser Umbruchsituation bevorzugte Newton die cooleren Mädchen, die härteren Gesten und sexuell offenkundigeren Inszenierungen als gemeinhin üblich. Selbstverständlich war das eine Männerphantasie. Doch eine, über die sich reden läßt. Es ist ja nicht so, daß es diese coolen Mädchen nicht gegeben hätte. Wenn Françoise Sagan nicht das erste Riot Grrl war, wer dann? Auch von ihr findet sich eine Fotografie in den „Pages from the Glossies“. Nachdem sie 1954 ihren Aston Martin zu Schrott gefahren hatte, posiert sie nun, 1963, in ihrem Jaguar XK-E Cabrio. Das heißt, sie verschwindet beinahe hinter der endlosen Kühlerhaube. In der äußersten Bildecke oben rechts ist ihr Kopf gerade noch sichtbar. Ein zartes Gesicht, eingerahmt vom Kragen eines Leopardenfellmantels, mit Zigarette und einer Frisur, die mutmaßen läßt, daß man schon damals, wann immer man zum Friseur ging, mit einer Heike-Makatsch-Frisur von dannen schritt.

Der fetischistische Zug von Newtons Modeszenen, der sich schließlich ab Mitte der 70er bis Mitte der 80er Jahre stetig steigerte und immer penetranter wurde, korrespondiert im Kontext des Faksimilebandes mit der parallelen Erscheinung einer merkwürdig müden, ideenlosen Mode, die selbst ihr Heil in den Gummi- und Lederklamottten der Sexshops suchte. Für diesen Stil war Newton ganz offenkundig nicht der richtige Fotograf. Dazu war es ihm mit seinen Dominas zu ernst. In der Folge wurde er mit seinen Bildbänden beim Münchner Schirmer und Mosel Verlag zum großen „Frauenfotografen“ stilisiert, was sich als eher peinliche Angelegenheit erwies. Seine Frau June und der Schweizer Verleger Walter Keller haben jetzt dagegen den Journalisten Newton endeckt. Verblüffend, welchen Unterschied eine intelligente Herangehensweise an ein und denselben Mann und teilweise ein und dasselbe Material macht. Man muß den Frauenfotografen nicht mögen, um vom Zeitschriftenfotografen begeistert zu sein. Brigitte Werneburg

June Newton and Walter Keller (Eds.): „Helmut Newton. Pages from the Glossies. Facsimiles 1956–1998“. Scalo Verlag, Zürich 1998, 544 S., 332 Abb., 138 DM

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