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„Wir müssen uns immer noch kennenlernen“

Der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde, Sabri Adak, muß sich immer wieder Nähe zu Radikalen vorwerfen lassen  ■ Von Jeannette Goddar

So lang ist die Gästeliste, daß er sie mit unverwandtem Blick auf das Papier präsentieren muß. Hinter der goldenen Brille blitzen die Augen Sabri Abaks vor Stolz, als er all die Prominenten vorliest: von der Belegschaft des türkischen Generalkonsulats über die bündnisgrünen Bezirksbürgermeister Franz Schulz und Jörn Jensen bis zum ehemaligen CDU-Innensenator Dieter Heckelmann, der sich während seiner Amtszeit eher selten als Freund eingewanderter Berliner einen Namen gemacht hat. Heute abend ist Heckelmann Ehrengast bei der Türkischen Gemeinde Berlin und sitzt gleich neben dem Gastgeber, dem Vorsitzenden Sabri Abak.

Abak zählt unter seinen Gästen auch führende Persönlichkeiten der Berliner und Brandenburger Polizei, der Landessportschule, des türkisch-deutschen Unternehmerverbandes, der Islamischen Föderation und der Islamischen Gemeinschaft. Bei Lammkeule und türkischem Tee dankt Sabri Adak, wie fast alle hier in einen dunklen Anzug gekleidet, den Gästen, daß sie der Einladung der Türkischen Gemeinde zum traditionellen „Fastenbrechen“ nach Sonnenuntergang gefolgt sind. „Nur so“, sagt er, „können wir uns besser kennenlernen, auch wenn wir nie gedacht hätten, daß wir das nach 40 Jahren noch sagen müßten.“

In seinem Büro findet sich nichts Türkisches

Der Vorsitzende gehörte zwar nicht zu den ersten türkischen „Gastarbeitern“, die in die Bundesrepublik kamen. Doch auch er kann schon auf eine lange Zeit in Berlin zurückblicken: Adak, der fast schon wie das Klischee eines freundlichen, älteren Herrn aussieht, kam 1974 von der Schwarzmeerküste nach Berlin, um Maschinenbau zu studieren. Rückkehrpläne hatte er schon damals nicht. Seit 13 Jahren betreibt er sein eigenes Kfz-Gutachterbüro im Bezirk Neukölln. Das Büro spiegelt wider, wie integriert Adak und seine Frau schon sind: An der Wand hängen Oldtimer-Fotos, jede Menge Wanderpokale stehen auf dem Regal, die er in seinem Nebenjob als Chef der türkischen Ringer in Deutschland eingefahren hat. Auf dem Schreibtisch klebt ein Nichtraucher-Zeichen. Dieses Büro hat nichts Türkisches. Nur Getränke oder Kekse vermißt man – es ist Ramadan. Der Diplomingenieur ist ein bekennender Muslim. Aber, sagt er pragmatisch, „es wird ja schon um vier Uhr dunkel. Bis dahin nicht zu essen, ist nicht so schwer.“

Vor einem Jahr löste Sabri Adak nach einer aufsehenerregenden Wahl, die die Türkische Gemeinde fast gespalten hätte, den liberal-konservativen Mustafa Çakmacoglu als Vorsitzenden ab. Çakmacoglu, der sich um sein Amt betrogen sah, warf Adak damals vor, mit Hilfe religiös-islamischer Vertreter unlauter an die Macht gekommen zu sein. Aus Protest verließ Çakmacoglu die Türkische Gemeinde und gründete die Türkische Union.

Die Amtszeit von Sabri Adak als Vorsitzender der Gemeinde, die die Interessen von 20.000 – überwiegend konservativen – türkischen Berlinern vertritt, begann nicht unter den besten Vorzeichen. Heute attestieren ihm die meisten – selbst die Mitglieder des liberalen Türkischen Bundes unter Safter Çinar und Kenan Kolat –, daß sich die Zusammenarbeit mit der Türkischen Gemeinde seit der Wahl Adaks massiv verbessert habe. Anders als früher, als die 1984 gegründete Gemeinde sich oft als einzig legitime Vertreterin türkischer Interessen gebärdete, gibt es heute gemeinsame Presseerklärungen zu Themen wie doppelte Staatsbürgerschaft, Islamkunde an Schulen oder zur Bildung türkischer Jugendlicher.

„Ich weiß nicht, ob wir konservativ oder liberal sind“, sagt Adak, „aber letztlich haben wir doch gemeinsame Ziele, wenn es um unser Leben in Deutschland geht.“ Vor allem heiße das Integration ohne Assimilation, den Abbau von Vorurteilen, die Verbesserungen der Bildungschancen. Vor allem aber, und diesen Satz wird er noch häufig wiederholen: „Wir müssen uns immer noch kennenlernen. Das ist traurig, aber“, und plötzlich weicht sein durchdringender Gesichtsausdruck einem verschmitzten Lächeln, „aber es spricht doch Bände, daß wir im letzten Jahr alleine zehnmal je 20 deutsche Polizisten eingeladen haben, um uns ihnen quasi vorzustellen“. Ebenso wie die Tatsache, daß er wie viele andere seit Jahren predigt, Kinder von Einwanderern bräuchten dringend Kita- und Vorschulplätze, denn „wer nicht Deutsch spricht, hat keinen Mut.“

Gegenüber der PKK ist er unerbittlich

Das von deutscher Seite oft genannte Argument, türkische Eltern hielten ihre Kinder von der Kita fern, damit sie nicht der türkischen Kultur entfremdet würden, hält er, der selber keine Kinder hat, für Unfug. „Diese Familien gibt es nicht. Wenn ein Kind keine anständige Ausbildung bekommt, steht es später auf der Straße. Das wissen doch die Eltern.“ Und: „Eine Unterschriftenaktion, wie die CDU sie plant, spielt den Radikalen in die Hände.“

Doch auch der so freundlich wirkende 49jährige Adak muß sich vorwerfen lassen, Radikalen in die Hände zu spielen: wenn er sich unter anderem mit der Islamischen Föderation an einen Tisch setzen will, um eine Lösung für den umstrittenen islamischen Religionsunterricht an Berliner Schulen zu koordinieren; wenn er findet, daß man auch Fundamentalisten nicht von Diskussionen ausschließen dürfe, weil man sie dadurch nur weiter stärke. Wenn er immer wieder den Eindruck türkischer Regierungsnähe erweckt, wenn er in den vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften Grauen Wölfen „kein Gefährdungspotential“ erkennt.

Auf weitgehendes Unverständnis außerhalb der Türkischen Gemeinde, die traditionell nicht im Ruf steht, besonderes Verständnis für Kurden zu hegen, stoßen vor allem Adaks unerbittliche Äußerungen zu allem, was mit Kurdistan zu tun hat: „Menschenrechtsverletzungen seitens der türkischen Armee gibt es nicht“, sagt Adak und wird zum ersten Mal etwas lauter: „Im Gegenteil, die Regierung gibt sich eine Menge Mühe, damit die Bevölkerung in Anatolien nicht leiden muß.“ Auch bei der Berliner Demonstration für die Auslieferung des „Terroristen Öcalan“ scheute sich Adak nicht, kurzerhand die Todesstrafe für den PKK- Führer zu fordern. Schließlich sei die PKK verantwortlich für 30.000 Tote des türkisch-kurdischen Krieges. An dieser Stelle hakte dann allerdings die traditionell sehr um die türkischen Vereine in Berlin bemühte Ausländerbeauftragte Barbara John (CDU) ein: Das Zusammenleben verschiedener ethnischer Gruppen müsse auch künftig von Besonnenheit geprägt sein. Außerdem sei eine friedliche Lösung des Konflikts nur denkbar, wenn die Grenzen von gegenseitigem Respekt und Toleranz nicht überschritten würden.

Zu besonnenen Tönen ist Sabri Adak jedoch auch fähig. Beim Fastenbrechen am Samstag predigte er, gerade der Fastenmonat Ramadan diene dazu, aufeinander zuzugehen.

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