Es gibt eine erkennbare Langzeitstrategie –betr.: „UN-Chef im Irak will kein Opferlamm des Krieges sein“, taz vom 9./10. 1. 99

Die derzeitige Diskussion um Spionage und Unscom lenkt ab von dem, worum es eigentlich geht: Es gibt eine erkennbare Langzeitstrategie – allen Widersprüchen zum Trotz.

Henry Kissinger, Ex-US-Außenminister, traf wie so oft den Nagel auf den Kopf: Mit der „Bombardierung dieses inzwischen wehrlosen Irak“ sei die Clinton-Regierung bis Ende der Woche „in einer Sackgasse angekommen, wenn sie das eigentliche Ziel, den Sturz Saddams, nicht schnell vorantreibt“ (jW, 19./20.12.98).

1953 wurde im Iran mit Hilfe der USA die Regierung Mossadegh gestürzt, welche die Vorläuferfirma von BP verstaatlicht hatte. Die USA und Großbritannien strangulierten das Land zunächst mittels eines Embargos; die sozialen Unruhen nutzte die CIA dann, um den Schah an die Macht zu bringen. Selbst nach acht Jahren Embargo und Hunderttausenden Toten will Ähnliches im Irak nicht gelingen.

1972 wurden im Irak die amerikanischen und britischen Ölgesellschaften verstaatlicht. Durch den iranisch-irakischen Krieg 1988 schwer verschuldet, überfiel Saddam Hussein Kuwait. Damit wurde der Irak kurzzeitig seine dortigen Milliarden-Schulden (Kriegskredite zur Eindämmung Irans) los, hatte zu den eigenen zirka zehn Prozent Öl-Weltmarktanteilen noch zirka zehn Prozent „hinzugewonnen“ – und hätte erheblichen Einfluß auf den sich im Keller befindenden Erdölpreis nehmen können. Die Elite Kuwaits erzielte bereits vor 1990 höhere Profite durch westliche Aktien, unter anderem bei Daimler- Benz, als durch den Ölverkauf – weshalb ihr ein hoher Ölpreis kontraproduktiv erschien. Laut Newsweek, 28. 1. 90, präsentierte General Schwarzkopf, Oberkommandierender im zweiten Golfkrieg, bereits im Juni 1990 den Plan eines Krieges gegen Irak – zwei Monate vor dem Überfall auf Kuwait. Der größten „Zwangsabrüstungsaktion“ der Geschichte, dem zweiten Golfkrieg von 1991, folgte das Embargo mit gleichem Ziel: „ ...den Irak auf Dauer faktisch und politisch auf dem tiefstmöglichen Niveau zu halten“ (Le Monde diplomatique, Dez. 97). In jüngster Vergangenheit hatte Irak gewagt, milliardenschwere Ölverträge u. a. mit Rußland, Frankreich und China, den großen US-Gegenspielern, für die Zeit nach dem Embargo abzuschließen.

Die Viertage-Bombardierung nimmt die neue Nato-Doktrin vorweg, die ohne UN-Mandat weltweit westliche Interessen „schützen“ soll. In Kürze könnte sich ähnliches wie im Irak am Kaspischen Meer abspielen, wo heftige Konkurrenzkämpfe zwischen amerikanischen, russischen und chinesischen Ölfirmen entbrannt sind.

Clemens Ronnefeldt, Referent für Friedensfragen beim deutschen Zweig des internationalen Versöhnungsbundes, Krastel