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Kritik am Methadonprogramm

■ Drogenhilfeeinrichtungen sehen starken Nachholbedarf

Das Land Bremen verzeichnete im vergangenen Jahr einen drastischen Anstieg von Drogentoten: Es starben 67 statt im Vorjahr 49 Personen. Die Experten aus dem Drogenreferat und der Polizei kommen jedoch erst in einigen Tagen zur genauen Ursachenforschung zusammen. Wir sprachen deshalb vorab mit Georg Kurz vom Bremer „Landesverband für akzeptierende Drogenarbeit“ – einem Zusammenschluß mehrerer Drogenhilfeeinrichtungen in Bremen – über mögliche Gründe und mögliche Schwächen im Drogenhilfesystem.

taz: Was könnte ein Grund für den hohen Anstieg sein?

Georg Kurz: In Bremerhaven starben zehn statt vorher drei Menschen. Das ist sicherlich eine direkte Folge von den Einsparungen in der Drogenhilfe. Dort ist die Notunterkunft einfach so weggestrichen worden. Ganz allgemein läßt sich für das Land Bremen feststellen: Heutzutage sind viele Personen verstärkt von mehreren Stoffen abhängig – zum Beispiel von Kokain, Aufputschmitteln oder Alkohol. Die Altfixer, die relativ gut eingestellt waren, werden weniger. Bei ihnen kam es seltener zu Überdosierungen. Die nächste Generation greift dagegen von vornherein zu vielen verschiedenen Drogen. Dazu gehören auch vermehrt Leute, die eigentlich mit Methadon substituiert werden. Da kann es bei risikoreichem Konsum in der Öffentlichkeit schon zu Überdosierungen kommen.

Das wirft kein gutes Licht auf die Substitution.

Das Methadonprogramm ist wichtig und muß weiterlaufen. Aber nach jetzt zehn Jahren der Methadonsubstition müßte man einfach mal ein Fazit ziehen und fragen: Wo gibt es Nachholbedarf? Viele niedergelassene Ärzte substituieren zum Beispiel ohne zentrale Hilfeplanung. Man müßte mit den Substitutierten konkrete Pläne zum Ausstieg, zur Wohnungssuche oder zum Schuldenabbau machen. Aber viele Ärzte kümmern sich gar nicht um eine solche Begleitung.

Und was macht man mit dem Problem „Mischkonsum“?

In der Tat greift das Methadonprogramm da nicht. Da müssen andere Programme her – wie eine kontrollierte Abgabe von Originalstoffen wie Heroin, aber auch von Kokain unter ärztlicher Aufsicht, – und das Einrichten von Konsumräumen. In London zum Beispiel lief ein Projekt, bei dem man sich die Substanzen aussuchen konnte, mit denen man substitutiert werden will. Das erhöht die Teilnahmezahlen. Der Vorteil solcher Programme ist: Die Abhängigen kommen aus der Illegalität heraus, die Konsumbedingungen verbessern sich: Risikokonsum auf der Straße ist stressig. Da kann es zu Überdosierungen kommen, wenn keine Ruhe da ist.

Kritiker meinen, Bremen brauche keine Fixerräume, viel wichtiger wären mehr Wohnungen für Drogenabhängige?

Es gibt doch inzwischen schon viel mehr. Außerdem werden auch in Frankfurt die Konsumräume gut besucht, obwohl es viele Wohnungen gibt. Man konsumiert eben dort, wo die Szene ist, und das ist eben nicht zu Hause. In Bremen haben wir bis zu 4.000 Drogenkonsumenten, 1.000 davon sind im Me-thadonprogramm. Von denen konsumieren bestimmt mindestens 30 Prozent noch andere Drogen. All diese Leute konsumieren nicht nur in Wohnungen, sondern dort, wo sie kaufen. Wir brauchen deshalb auch in Bremen einen szenenahen Konsumraum. Es müssen ja nicht gleich vier wie in Hamburg sein.

Aber sowohl die geforderten Konsumräume als auch kontrollierte Heroinabgabe sind für Bremen mit der großen Koalition in weite Ferne gerückt.

Bislang zieht man sich in Bremen noch darauf zurück, daß es illegal ist. Aber wenn die neue Bundesregierung daran arbeitet, das Betäubungsmittelgesetz zu ändern, müßte es eigentlich auch hier möglich sein. Fragen: Katja Ubben

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