■ Staatsbürgerrecht: Ein in der Tendenz guter Entwurf mit Mängeln
: Kleine Verbeugungen nach rechts

Der von Innenminister Otto Schily vorgelegte Entwurf zum neuen Staatsbürgerrecht ist anerkennenswert. Das Wichtigste: Durch die Einführung eines wenn auch begrenzten Geburtsortsprinzips in das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 wird endlich der Schritt weg vom Abstammungsprinzip hin zu einem republikanischen Staatsbürgerschaftsverständnis getan. Damit wird die ethnisch plurale Zusammensetzung der bundesdeutschen Gesellschaft anerkannt. Das war überfällig. Ebenso wie folgende Verbesserungen: Jugendliche erhalten einen vereinfachten Einbürgerungsanspruch, und die „Wartefrist“ für die Einbürgerung von Erwachsenen wird von 15 auf 8 Jahre verkürzt; mit Deutschen Verheiratete werden nach drei Jahren eingebürgert. Und das Wichtigste: Die Mehrstaatigkeit, die sogenannte doppelte Staatsbürgerschaft, wird ohne Wenn und Aber eingeführt.

Aber all dies bedeutet natürlich nicht, daß der vorliegende Entwurf nicht dringend nachgebessert werden müßte. Im Vergleich zum gültigen Recht enthält er inakzeptable Verschärfungen, die offensichtlich als Zugeständnis an rechte Polemik gedacht sind. Das von uns bereits in der Vergangenheit stets kritisierte Einbürgerungshemmnis des Bezugs von „Arbeitslosenhilfe oder Sozialhilfe“ wird künftig verschärft, da das bisherige Kriterium „selbstverschuldet“ wegfällt. Angesichts der derzeitigen angespannten Arbeitsmarktlage muß zumindest die derzeitige Regelung beibehalten werden.

Eine weitere Verbeugung Richtung rechts ist das Kriterium „Verfassungstreue“. Die völlig abstrakte Regelung erinnert an die unseligen Berufsverbotsregelungen. Wenn überhaupt, kann dies praktikabel nur über die Straffälligkeitsregelung geregelt werden. Zu guter Letzt läßt der Entwurf offen, ob die neuen Regelungen rückwirkend gelten werden. Insbesondere meint dies, ob bereits hier geborene Kinder nachträglich die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten sollen. Dies ist dringend notwendig, wenn diese Kinder nicht noch Jahre als „Ausländer“ hier leben sollen.

Im Ergebnis belegt der Entwurf eine beträchtliche Standhaftigkeit der Koalition. Es ist zu hoffen, daß diese auch im Gesetzgebungsverfahren durchgehalten wird. Mit den Nachbesserungen verabschiedet, wäre er eine gute Grundlage für eine richtig verstandene Integrationspolitik. Safter Cinar

Stellvertr. Vorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland