: Weiterer argentinischer Militär festgenommen
■ Wegen Kindesentführung muß jetzt auch der letzte Armeechef der Diktatur aussagen
Buenos Aires (taz) – In Argentinien ist am Dienstag abend ein weiterer Ex-Militär wegen der Entführung von Kleinkindern von Regimegegnern festgenommen worden. Am späten Nachmittag wurde der ehemalige General Cristino Nicolaides überraschend von einem Polizeiwagen in seinem Haus in Córdoba abgeholt und mußte die Nacht auf der Wache verbringen. Nicolaides ist der achte Ex- Militär, der wegen Kindesentführung festgenommen wurde. Bereits zuvor wurden Haftbefehle gegen den ehemaligen Juntachef Jorge Videla, gegen Ex-Marine- Chef Emilio Massera und gegen General Rubén Franco erlassen. Vier weitere Mitglieder der Marine sitzen schon in Untersuchungshaft.
Frauen, die in den Gefangenenlagern der Diktatur ihre Babys zur Welt brachten, wurden die Kinder entrissen. Sie wurden entweder verkauft oder an kinderlose Militärfamilien gegeben, die Mütter meist ermordet. Während die Menschenrechtsorganisation „Großmütter der Plaza de Mayo“ von 400 solcher Entführungen wissen will, spricht die Militärführung von 240. Allerdings wurden bislang nur 61 Fälle aufgeklärt. Oftmals wissen die inzwischen erwachsenen Kinder selbst nicht, wer ihre waren Eltern sind.
Nicolaides war der letzte Heereschef der argentinischen Militärdiktatur. Ihm wirft der ermittelnde Richer Adolfo Bagnasco vor, von der Entführung von Kleinkindern gewußt und sie geduldet zu haben. Außerdem soll er dafür gesorgt haben, daß die Täter straffrei ausgingen. Er soll auch den Befehl erteilt haben, die Archive über die Verschwundenen kurz vor dem Ende der Diktatur zu verbrennen.
In einem Fernsehinterview, das der Sender Canal 13 vergangene Woche mit Nicolaides führte, gab der Ex-Militär an, von dem Babyraub nichts gewußt zu haben. „Wenn ich das gewußt hätte, hätte ich es niemals erlaubt“, sagte er. Zu den Prozessen gegen ihn und seine Kameraden meinte er: „Es ist gut, daß sich die Dinge aufklären.“ Und fügte hinzu: „Wenn mich die Justiz für indirekt schuldig erklärt, bin ich bereit, ins Gefängnis zu gehen.“ Ingo Malcher
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen