Folgt dem Bass!

■ Das DJ-Duo Kemistry & Storm, heute im Mojo zu Gast, über Drum'n'Bass, wie man tanzt und wie man auflegt

Seit zwei Jahren reisen die beiden Metalheadz-Mitbegründerinnen Kemistry & Storm durch die halbe Welt, sind Resident-DJs in Berlin und haben soeben ihr DJ-Kicks-Album für das in Hamburg und Berlin ansässige Label K7 aufgenommen. Eine sorgfältige Mixtur, die verschiedene Stile der aktuellen Drum'n'Bass-Szene präsentiert. Im Gespräch reden sie über die Entwicklungen des Genres, unvergessene Auflegeerlebnisse und ihren unermüdlichen Enthusiasmus.

taz hamburg: Eure Freude am Drum'n'Bass-DJing scheint ungebrochen zu sein. Werdet ihr nicht auch mal müde?

Kemistry: Müde schon, aber nie mit Drum'n'Bass. Seit wir so etwas wie professionelle DJs geworden sind, das heißt, davon leben und international gebucht werden, verändert sich der Blickwinkel. Es ist ja nicht überall so wie in Deutschland oder England, wo die Musikszene seit langem mit Drum'n'Bass vertraut ist. Neulich waren wir in Israel. Da ist das alles noch ziemlich neu, und so etwas wirkt sich immer positiv auf unsere Abende aus, wenn wir spüren, daß wir den Leuten was Unvertrautes anbieten.

Wollen die Menschen auf der Tanzfläche nicht immer das hören, was sie gewohnt sind?

Kemistry: Ja. Aber ein bißchen Drum'n'Bass gehört haben sicherlich die meisten schon. Dennoch gibt es so lustige Situationen, daß irgendwo auf der Welt einige Leute völlig verwirrt sind über die rasante Geschwindigkeit und uns fragen, wie man dazu überhaupt tanzen kann. Dann sagen wir immer: „Folgt ganz einfach der Basslinie, wenn ihr auf die Drums achtet, seit ihr in einer Stunde tot.“

Hier in Deutschland spricht man von einer Drum'n'Bass-Krise. Stimmt das?

Storm: Darüber muß ich immer etwas schmunzeln. Zunächst einmal würde ich sagen, daß sich dahinter der ganze Medienhype verbirgt. Das ist in England so gewesen. Als alles ganz neu und innovativ war und Musiker wie Goldie, Photek und Roni Size plötzlich irgendwo auftauchten, sind alle total durchgedreht, als wäre die Musik der Style des Jahrtausends. Dann haben die Jungs sich wieder zurückgezogen, um beharrlich weiterzuarbeiten, und zack, gab es den neuen Hype um Speed Garage. Das ist wohl normal.

Also keine Krise?

Kemistry: Auf keinen Fall, sonst könnten wir gar nicht mehr so leidenschaftlich weitermachen. Die Musik kommt schließlich zu uns, da wir nicht selber produzieren. Wir erleben einen ständigen Wandel. Da Drum'n'Bass so komplex ist, gab es neben den Einflüssen der unterschiedlichen Stilrichtungen, wie Jazz oder Soul, auch große Veränderungen im Rhythmus. Man muß nur an die ganze Dark-Phase denken, die wiederum vom ravigen Two-Step abgelöst wurde.

Ihr habt mehrfach gesagt, daß ihr momentan noch kein Interesse daran habt, selber zu produzieren. Nun habt ihr soeben euer erstes DJ-Kicks-Album aufgenommen, einen reinen Sampler. Die Idee müßte euch sehr entgegenkommen.

Kemistry: Klar. Das hat uns superviel Spaß gemacht. Schließlich nehmen wir das DJ-Ding sehr ernst. Das bedeutet, fein zu selektieren und perfekt zu mixen. Dabei machst du aus zwei Tracks einen ganz neuen.

Ihr habt also auf DJ-Kicks euer perfektes Set zusammengemixt?

Storm: Sicher, aber das war eine recht schweißtreibende Angelegenheit. Wir haben ständig gezittert, daß die Mixe danebengehen. Wenn du da einen Mix verpatzt, mußt du wieder von vorne anfangen, weil das Album aus einem Guß ist. Zu Hause haben wir dann feierlich die CD angehört. Weil wir so angespannt waren, haben wir schnell den Staubsauger angeschmissen und sind damit durch die Wohnung gerast.

Interview: Claude Jansen

23 Uhr, Mojo Club