Die Rückeroberung des Songs

■ Intimes Ereignis für den Freundeskreis: Der Postrocker David Grubbs gab im Tacheles eine Art klassisch konzertanten Caféabend

Im Laufe der Jahre hat sich Postrock zu einer Sackgasse entwickelt. Allzu sehr haben sich insbesondere die amerikanischen Postrocker an den Krautrock angenähert und dabei all das Blöde übernommen, was Krautrock unappetitlich macht: kleinkrämerisches Muckertum und jeansmythenumsponnene Jungsattitüde.

Verfolgt man ihre Wege, scheint es, als ob sich ihnen nur zwei Auswege aus der Sackgasse Jungsworld & Indiekavalier auftun – der Schritt hin zu Folksongs, also der Echtheit des Ausdrucks. Oder aber die Hinwendung zu ambitionierten Tüfteleien auf dem weniger konkret mit Bedeutung belasteten Spielplatz elektronische Musik. Welchen der Wege ist David Grubbs gegangen, der mit seinen Bands Bastro und Gastr Del Sol gemeinhin als Säulenheiliger des Postrock gilt? Bereits das letzte Gastr-Del-Sol-Album „Camofleur“ zeigte, wie Grubbs in alle Richtungen experimentiert. Über die Verwendung von Folkelementen bis hin zu schwer verjazzten Stücken spannte sich die Bandbreite der Stile. Zerfaserung war das Ergebnis. Es schien, als wolle die Band noch einmal ihre Virtuosität unter Beweis stellen, bevor sie zerfiel.

Nun also David Grubbs solo. Und um keinen Zweifel aufkommen zu lassen an seiner Experimentierfreude, begann er klangversessen mit breitgezerrter Gitarre, begleitet von einem gleichfalls verzerrten Saxophon. Die Lärmophonie dauerte länger an, als man es für strategische Maßnahmen braucht, und als Zugabe wurde ähnliches wiederholt. So wurde schnell klar, daß Grubbs den an ihn gestellten Erwartungen auf private Weise begegnet. Das Konzert sollte ein intimes Ereignis werden. Als zweiter Song folgte ein auf der Akustikgitarre gespieltes „The Season's Reverse“, und auch hier wirkte der Hit vom letzten Gastr-Del-Sol-Album magisch.

Die neuen Songs hingegen zeigen, daß Grubbs, bei allem Bemühen um Experiment und Expression, zu jenen gehört, die sich den Song zurückerobern. Allerdings klangen sie oft unfertig, und man hatte das seltsame Gefühl, dem Musiker beim Werkeln zuschauen zu können.

So ergab sich für einen Teil des Publikums das Ende eines Songs eher daraus, daß Grubbs zum Ende seiner mit gewohnt schlierender Stimme vorgetragenen Lieder die Mundwinkel herabzog, in einer Mischung aus Schüchternheit und Koketterie. Ein merkwürdig intimes Konzert eben.

Das Publikum, daß das Café Zapata in der Kunstbaustelle Tacheles knapp füllte, schien für diese Art Darbietung wenig anfällig. Jünger und Assoziierte suchten hier ihren Meister heim. Die Nähe, mit der Grubbs hier einen klassisch konzertanten Caféabend gab, schien die an die Demarkationslinie Bühnenrand gewöhnten Leute ein wenig zu verunsichern, so merkwürdig versetzt folgte der Applaus, der dann aber immer eine Spur zu frenetisch war.

Auch die Veranstalter waren präsent, indem sie um des harten Effekts willen – und vielleicht, um sich in die ABM-Kitschkunstwelt des Tacheles zurückkuscheln zu können – permanent den feuerspeienden Metalschrottdrachen anwarfen. Was wiederum Grubbs laut zum Lachen brachte. Der Künstler war vor seinem Publikum alleingelassen. Jörg Sundermeier