Usern geht es an den Kragen

Während Kiffern mit Hausdurchsuchungen und Verkehrskontrollen zu Leibe gerückt wird, leistet die Grüne Hilfe den zunehmend Bedrängten juristischen Beistand  ■ Von Volker Wartmann

Die Selbstzüchter unter den Cannabis-Liebhabern sollten bei der Pflege ihres Hobbys in Zukunft besser etwas unauffälliger verfahren. „1998 sind bedeutend mehr Personen wegen Eigenanbau in der Wohnung angezeigt worden als in den Jahren zuvor“, sagt Martin Poell, Rechtsanwalt im Mehringhof in Kreuzberg. „In vielen Fällen lag Denunziation durch Nachbarn vor. Oftmals wurde die Polizei auch durch Zufälle wie Abwesenheit bei Wasserschäden auf die Heimanpflanzungen aufmerksam, wenn die Wohnung aufgebrochen werden mußte.“ Für den Ernstfall rät Poell: „Keine Aussagen, bevor man einen Anwalt zugezogen hat.“

Bei den Mitarbeitern der Grünen Hilfe e. V. gehen monatlich etwa 20 bis 30 Anrufe von Cannabis-Züchtern und -Konsumenten ein, die wegen unerlaubtem Drogenbesitz angezeigt und strafverfolgt werden. Der Hanfaktivistenverein mit Sitz im HanfMuseum setzt sich für die Legalisierung von Cannabis ein und bietet Beratung für Kiffer an, die wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz Ärger mit der Polizei haben. „Die meisten rufen erst an, wenn es schon fast zu spät ist und sie Aussagen gegenüber der Polizei gemacht haben“, sagt Grüne-Hilfe-Mitarbeiterin Sabine Rädler. „Insbesondere Jüngere werden von der Polizei oft massiv unter Druck gesetzt, so daß sie sich zu Aussagen gezwungen fühlen.“

Der Besitz geringer Mengen Cannabis für den Eigenbedarf soll nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 1994 nicht mehr strafverfolgt werden. Jedoch hat es der Bundsrat in den letzten vier Jahren versäumt, diese geringe Menge bundesweit einheitlich zu definieren. „Aufgrund der unklaren Rechtslage besteht bei den Konsumenten eine große Unsicherheit“, sagt Rädler.

In einigen Bundesländern wie beispielsweise Bayern oder Baden-Württemberg werden Kiffer, die mit so geringen Mengen erwischt wurden, daß es nicht für eine Strafverfolgung reicht, dann häufig auf der Verwaltungsebene von der zuständigen Führerscheinstelle zu Urintests vorgeladen und müssen sich, falls dieser „positiv“ ausfällt, oftmals einer sogenannten medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) unterziehen. In diesem Test werden unter anderem die Reaktionsgeschwindigkeit sowie die Konzentrations- und Aufnahmefähigkeit untersucht. „Außerdem muß man sich im Gespräch mit einem Psychologen als psychisch stabiler Mensch und Autofahrer erweisen“, erläutert Rädler. „Wer man bei der MPU durchfällt, bekommt seinen Führerschein entzogen. Weiterer Nachteil: Zudem muß der Test aus der eigenen Tasche bezahlt werden. 500 bis 800 Mark sind dann fällig.“

Die Grüne Hilfe steht Hilfesuchenden mit allerlei Tips zur Seite, wie man mit der „Behördenschikane taktisch geschickt“ umgehen kann. Das geht los bei rechtlicher Beratung bis hin zu praktischen Tips, wie man in kurzer Zeit möglicherweise einen „negativen“ oder unbrauchbaren Urintest hinbekommt. Die Grüne Hilfe verfügt zudem über eine Liste von Anwälten, die auf dem Gebiet Betäubungsmittelgesetz (BtmG) firm sind.

„In jüngster Zeit scheint Berlin den süddeutschen Ländern in Sachen Repression gegen Cannabis- Konsumenten nacheifern zu wollen“, sagt Grüne-Hilfe-Mitarbeiterin Viola Kamerke. „In den letzten Monaten häufen sich die Fälle, da die Polizei ohne Hausdurchsuchungsbefehl unter dem Vorwand Gefahr in Verzug einfach Wohnungen von verdächtigen Cannabis-Konsumenten aufbricht.“

Als eines der ersten Bundesländer setzt Berlin die sogenannte Drugwipe gegen Autofahrer ein. Dabei wird unter der Achselhöhle des Autofahrers ein Schweißabstrich durchgeführt. Der Einsatz des Drugwipe-Gerätes geht auf eine Gesetzesänderung zurück, nach dem seit dem ersten August das Fahren „unter Drogen“ verboten ist. Cannabinoide sind im Blut jedoch bis zu fünf Wochen nach dem Genuß des letzten Joints nachweisbar. Die neuen Drugwipe-Geräte sollen in Berlin schon in nächster Zeit eingesetzt werden, obwohl sie bisher technisch noch gar nicht ausgereift sind und häufig fehlerhaft anzeigen. Nach Informationen aus Insider-Kreisen sollen sie sogar nach Gebrauch von Hanfshampoo „ausschlagen“.

Infos: Grüne Hilfe e. V. c/o Hanf Museum, Tel.: (030) 242 48 27.