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■ Bisky und Gysi hemmen die innerparteiliche Debatte in der PDSIm sozialistischen Ghetto

Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. Was passiert eigentlich mit denen, die so spät dran sind, daß sie gar nicht kommen? Höchststrafe?

Die PDS befindet sich in einer Krise, und sie hat auf ihrem Parteitag so gut wie nichts dafür getan, sich aus ihr zu befreien. Wenn man müßte, hätte man nicht mal mehr Lust, ein Strafmaß festzusetzen. Es war ein Parteitag der Einheit-Reinheit-Geschlossenheit. Die Genossen tragen die Harmoniesucht als eine Art Weltanschauung mit sich herum. Solange die PDS jedoch Angst davor hat, ihre Konflikte offen auszutragen, solange sie nur ein schlechtes Erscheinungsbild beklagt, anstatt ihre realen Widersprüche zu diskutieren, wird jeder künftige Parteitag so enden wie dieser: in gepflegter Langeweile und der immergleichen Wiederholung der immergleichen Probleme, allen voran der Umgang mit der DDR-Vergangenheit.

Wenn die PDS ihren kulturellen Konservatismus nicht überwindet, wenn sie nicht begreift, daß sie die Geschichtsdebatte nicht für andere, sondern nur für sich selbst führen muß – dann wird sie in ihrer politischen Nische bleiben. Aus ihr wird keine moderne sozialistische Partei, sondern ein langweiliger Verein zur Vertretung ostdeutscher Interessen. Sie wird in ihrem 20-Prozent-Ghetto gefangen bleiben: als etwas konservative sozialdemokratische Regionalpartei.

Das Führungsduo Bisky und Gysi trägt für diese Entwicklung zunehmend die Verantwortung. Die beiden stehen nicht mehr nur für das Bündnis der pragmatischen Kräfte mit den Modernisierern, die gemeinsam die Traditionalisten in Schach halten. Bisky und Gysi hemmen die innerparteiliche Debatte, weil sie sie nicht befördern. Ihre Unentschiedenheit, ihr Drang, die Partei unter allen Umständen zusammenhalten zu wollen, verhindern die offenen Konflikte, die die PDS so dringend bräuchte. Sie verbauen damit einer Debatte den Weg, die für die Zukunft der Partei entscheidender ist, als es die alten Flügelkämpfe sind: der Streit unter den Reformern selbst.

Gysi, Bartsch und Brie fordern von der PDS, bis zum Jahre 2002 für die SPD in Bonn koalitionsfähig zu sein. Jüngere Politiker wie Angela Marquardt oder Matthias Gärtner hingegen verlangen von der Partei einen schärferen Oppositionsgeist und mehr Antikapitalismus. Man hätte schon gerne gewußt, wie die Genossen hier eine gemeinsame Linie finden. Aber wenn die PDS so weiter macht wie auf ihrem Parteitag am Wochenende, dann werden wir die Antwort darauf wohl auch im nächsten Jahrhundert nicht erfahren. Jens König

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