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■ Kosovo: Was tun nach dem Massaker an albanischen Zivilisten?Täter, Opfer, Zuschauer

Zwei Tage vor dem größten Massaker seit Kriegsbeginn im Kosovo ließ die albanische UCK-Guerilla acht gefangene Soldaten der jugoslawischen Armee frei, von denen weltweit behauptet wurde, sie seien entführt, verschleppt, gekidnappt worden. Kidnapping, Entführung, Verschleppung – das ist die Vorgehensweise von Terroristen, und so bezeichnen die serbischen Machthaber denn auch die UCK. Eine Armee hingegen macht Gefangene, eine Polizei nimmt fest oder verhaftet.

Nicht so im Kosovo, wie der schwarze Freitag einmal mehr bewiesen hat. Deshalb ist es höchste Zeit, umzudenken, erst hinzuschauen und dann die Begriffe zu wählen, um eine Realität zu bezeichnen, statt eine Realität mit Begriffen zu verschleiern. Die OSZE besuchte täglich die gefangenen Soldaten, denen es den Umständen entsprechend gut ging. Sie wurden korrekt behandelt. Weshalb verlangt die OSZE nicht Zugang zu den gefangenen UCK- Kämpfern? Aufgrund ausreichend dokumentierter Erfahrungen in den letzten zehn Jahren muß man annehmen, daß sie mißhandelt wurden.

Alle sprechen vom drohenden Ausbruch eines neuen Krieges: die Diplomaten, die Mitarbeiter humanitärer Organisationen, die Journalisten. In der Tat, man braucht kein Prophet zu sein, um das sich anbahnende Desaster zu sehen. Wenn es keine politische Lösung gibt, werden die Waffen sprechen. Das ist Konsens aller Zuschauer vor Ort. Ja, es sind wirklich Zuschauer. Alle sehen, was kommt, niemand weiß, was denn dagegen zu tun ist. Also beschwört man die heranziehende Katastrophe.

Es ist Zeit, umzudenken, sich einzugestehen, daß es keine politische Lösung gibt, solange Milošević an der Macht ist. Er braucht die Krise und notfalls den Krieg, um sich an der Macht zu halten und sich, wenn dann die Zeit dafür reif ist, als Friedensvermittler zu profilieren. Siehe Bosnien. Dort brauchte es 200.000 Tote, bis eine höchst labile Lösung da war. Im Kosovo sind es erst ungefähr 2.000 – plus das halbe Hundert vom Freitag. Und es gibt kurzfristig keine stabile Lösung. Aber es wäre schon viel gewonnen, wenn man ernsthaft auf die Destabilisierung des Machtapparats in Belgrad und offen auf die Errichtung eines internationalen Protektorats im Kosovo hinarbeiten würde, statt der serbischen Seite, je resistenter sie ist, desto mehr politische Konzessionen zu machen. Ein Protektorat im eigentlichen Sinn des Wortes, das heißt ein Gebiet, wo die Bevölkerung erst mal vor Massakern und Rache geschützt wird. Das ist das Wichtigste. Alles andere kommt danach. Auch die Verhandlungen um eine endgültige Lösung. Thomas Schmid

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