: Weser-Report bespitzelte Mitarbeiter
■ Ehemaliger Chef-Redakteur Ronald Famulla kämpft vor Gericht um seine Abfindung von rund 167.000 Mark. Will die KPS-Verlagsgesellschaft sich vor der Zahlung drücken?
Als Ronald Famulla am 21. November 1998 um 9.45 Uhr seine Wohnung verließ, ahnte der Journalist nicht, daß er beobachtet wurde. Famulla, damals noch Chefredakteur des Weser-Report, fuhr ins Fitneß-Center. Dort blieb er bis 13 Uhr. Famulla, der von seinem Arzt krankgeschrieben war, wurde beschattet – von seinem Arbeitgeber, der KPS Verlagsgesellschaft mbH, die das Anzeigenblatt Weser-Report herausgibt. Das wurde gestern bei der Verhandlung vor dem Arbeitsgericht bekannt.
Anfang November letzten Jahres hatte der Journalist sich mit KPS geeinigt. Für eine Abfindung von rund 167.000 Mark sollte der Chefredakteur das Blatt zum Jahresende verlassen. Nachdem die Detektei Famulla beschattet hatte, kündigte KPS dem Journalisten dennoch fristlos, weil er sich die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erschlichen habe. Famullas Anwalt interpretiert die Kündigung anders: KPS versuche, sich auf diese Weise um die Zahlung der Abfindung zu drücken.
Zwölfeinhalb Jahre arbeitete Famulla als Chefredakteur bei dem als CDU-nahe geltenden Weser-Report. Nachdem er den Auflösungsvertrag unterschrieben hatte, bat er um Urlaub. KPS-Geschäftsführer Peter Führing lehnte ab – wegen Personalmangels. Daraufhin meldete Famulla sich am 17. November für zehn Tage krank. Nach Angaben Führings versuchte der Verlag mehrfach, Famulla telefonisch zu erreichen. Ohne Erfolg. Als Kollegen am 23. November an Famullas Wohnungstür klingelten, öffnete nur die Haushälterin. Ihr Chef sei verreist, habe sie gesagt. Einen Tag später sah der Detektiv, wie Famulla gegen acht Uhr morgens das Haus verließ und ins Fitneß-Studio fuhr. Er habe einen „vitalen Eindruck“ gemacht, meldete der Detektiv an KPS. KPS kündigte dem Journalisten daraufhin am 30. November fristlos und zahlte die Abfindung nicht. Der Journalist habe sich auf Kosten der Firma „eine geregelte Freizeit“ verschafft, sagte der Anwalt von KPS vor Gericht. „Der Arzt hat meinem Mandanten ausdrücklich verschrieben, ins Fitneß-Studio zu gehen“, entgegnete Famullas Anwalt. Der Journalist klagt außerdem auf die Zahlung des Dezember-Gehaltes von rund 12.000 Mark. Wenn er darauf verzichte, würde KPS einer gütlichen Einigung zustimmen, bot der KPS-Anwalt an. „Von solchen Methoden, Geld zu sparen, hält mein Mandant nichts“, entgegnete Famullas Anwalt.
„Das sind schlimme Sitten, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer bespitzeln“, kommentierte Theo Klinger, Vorsitzender des Deutschen Journalistenverbandes in Bremen, das Verfahren. „Das ist durchaus angemessen“, sagte dagegen Otto Brauch, Geschäftsführer der Unternehmensverbände in Bremen. „Wenn Arbeitgeber einen konkreten Verdacht haben, gibt es oft gar keine andere Möglichkeit, solche Verstöße nachzuweisen.“ Auch das Bundesarbeitsgericht hält die Beschattung von Arbeitnehmern durch Detekteien bei einem konkreten Tatverdacht für legitim. Wenn der Arbeitgeber auf diese Weise eine „vorsätzliche vertragswidrige Handlung“ nachweisen kann, muß der Arbeitnehmer sogar die Kosten für die Detektei bezahlen. Das hat das Bundesarbeitsgericht im September 1998 entschieden (8 AZR 5/97). Ob Famulla eine solche vertragswidrige Handlung nachgewiesen werden kann, ist allerdings fraglich. Er hat seinen Arzt, der jetzt vor Gericht aussagen soll, bereitwillig von der Schweigepflicht entbunden. kes
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen