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Überlebende der Brandnacht bleiben

Innenminister Otto Schily gewährt Bleiberecht für jene Menschen des Lübecker Brandes, die noch nicht abgeschoben sind. Bürokratische Prozedur dauerte drei Jahre, weil Schilys Vorgänger Zustimmung verweigerte  ■ Von Elke Spanner

Hamburg (taz) – Drei Jahre nach dem Brandanschlag auf die Flüchtlingsunterkunft in der Lübecker Hafenstraße bekommen die Überlebenden nun ein dauerhaftes Bleiberecht in Deutschland. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) erteilte dazu sein Einverständnis. Gestern wies Ekkehard Wienholtz (SPD), Innenminister von Schleswig-Holstein, die Lübecker Ausländerbehörde an, den Flüchtlingen aus „humanitären Gründen“ eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen.

„Die Entscheidung zeigt, daß es offenbar keine juristische Frage war, sondern ausschließlich eine des politischen Willens“, freute sich Lübecks Bürgermeister Michael Bouteiller (SPD). Ihren eigenen guten Willen hatten er und Wienholtz seit der Brandnacht immer wieder betont. Bouteiller hatte jedoch auf die Verantwortung von Wienholtz verwiesen – und der hatte achselzuckend nach Bonn geblickt. Als Landesinnenminister kann er zwar ein Gruppenbleiberecht „aus humanitären Gründen“ aussprechen. Dem muß der Bundesinnenminister jedoch zustimmen. Und der ehemalige Amtsinhaber Manfred Kanther (CDU) hatte das vehement verweigert. Kanther begründete seine Ablehnung damit, es werde ein Präzedenzfall geschaffen, der Flüchtlinge geradezu ermutige, ihr Haus anzuzünden, um in Deutschland bleiben zu können.

In den vergangenen Monaten hatten Wienholtz und Bouteiller auf einen Regierungswechsel in Bonn, seither auf ein politisches Signal des neuen Bundesinnenministers Otto Schily gehofft. Doch noch vor drei Wochen schien es, als würde Schily die Hoffnungen enttäuschen. Ende Dezember kündigte er an, er würde „einzelfallbezogene Gespräche führen“ – und eben nicht über die pauschale Anerkennung aller Überlebenden aus humanitären Gründen verhandeln. Veronika Dicke, die Sprecherin des Kieler Ministeriums, bestätigte gestern, daß es noch mehrerer Gespräche zwischen Wienholtz und Schily bedurft habe.

Die Überlebenden der Brandnacht bekommen nun zunächst eine Aufenthaltsbefugnis für zwei Jahre. Die wird dann um jeweils weitere zwei Jahre verlängert – es sei denn, daß jemand zwischenzeitlich eine Straftat begeht. Im Moment könnte das dauerhafte Bleiberecht für einen der ehemaligen Hafenstraßen-Bewohner daran scheitern. Insgesamt überlebten 38 Flüchtlinge das Feuer in der Nacht vom 17. auf den 18. Januar 1996. Ein Nigerianer wurde unmittelbar nach der Brandnacht abgeschoben, drei der BewohnerInnen der Unterkunft genießen bereits Bleiberecht. Zehn Menschen starben damals in den Flammen. Viele der Überlebenden waren schwer verletzt worden.

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