Vom Außenseiter zum Sieger

Walter Momper, frischgekürter Spitzenkandidat der Berliner SPD, will eine rot-grüne Reformkoalition. Angriffe auf die Große Koalition sind zu erwarten  ■ Aus Berlin Dorothee Winden

„Die Gallier haben gewonnen!“ Der Freudenruf eines Momper- Anhängers nach der Bekanntgabe des Sieges von Walter Momper bei der SPD-Urwahl war bezeichnend. Aus einer Außenseiterrolle hatte sich Momper den Sieg erarbeitet. Wie das kleine gallische Dorf, das sich gegen eine Übermacht behauptet, hatte sich das Momper- Team in den letzten Wochen gegen die Parteifunktionäre behauptet, die zum größten Teil auf der Seite von SPD-Fraktionschef Klaus Böger standen. Der erschien vielen als der Kandidat, der auch zwischen den Parteiflügeln Kompromisse vermitteln kann.

Doch die SPD-Mitglieder gaben dem früheren Regierenden Bürgermeister Walter Momper ganz klar den Vorzug. Der 53jährige, der fernab der verhaßten Großen Koalition steht, soll bei der Abgeordnetenhauswahl im Herbst 1999 auch für die Berliner SPD den Wechsel herbeiführen.

Mompers fehlender Rückhalt bei den Parteifunktionären stellt die Partei allerdings vor eine schwierige Aufgabe: Die Böger- Anhänger müssen im Wahlkampf mitziehen. Denn nur mit Geschlossenheit kann die SPD die Wahl gewinnen. Einen Vorteil hat Momper im Wahlkampf: Er kann einen schärferen Kurs gegen die CDU fahren. „Natürlich wird das Klima in der Großen Koalition jetzt rauher, aber das hat mit dem Wahlkampf zu tun und nicht mit Momper“, sagte der Spitzenkandidat.

Momper hat sich eine rot-grüne Reformkoalition auf die Fahnen geschrieben. Die Aussichten dafür stehen nicht schlecht. Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa würde die Berliner SPD derzeit 35 Prozent der Stimmen erhalten, die Grünen liegen mit 13 Prozent knapp hinter der PDS, die auf 14 Prozent käme. Die CDU erränge derzeit 29 Prozent.

Mompers Schwachstelle: Er hat kaum Chancen, Wechselwähler von der CDU zur SPD holen. Dafür hat er gute Chancen, der PDS im Ostteil der Stadt Wähler abspenstig zu machen. Er könnte allerdings auch im grünen Wählerklientel Stimmen holen. Die Grünen wollen hingegen der SPD nicht das Feld überlassen, werden ihren Wahlkampf aber darauf abstellen, verstärkt Nicht- und PDS-Wähler zu gewinnen.

Die Grünen, die 1989/90 in einer rot-grünen Koalition an dem Regierenden Bürgermeister Walter Momper scheiterten, haben dennoch keinerlei Vorbehalte gegen den Mann mit dem roten Schal. „Wir sind nicht nachtragend“, sagte die grüne Fraktionschefin Renate Künast gestern. Momper könne Menschen begeistern. „Der sagt Sätze, die Flügel haben.“

Das Thema Wirtschaft und Arbeit wird für Momper eine zentrale Rolle im Wahlkampf spielen. Als Vorsitzender des Fachausschusses Wirtschaft hatte Momper im vergangenen Jahr an der „Adlershofer Erklärung“ der Partei zu Wirtschaft und Technologiefragen mitgearbeitet. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und eine aktive Ansiedlungspolitik von Betrieben und Firmen hat für Momper einen hohen Stellenwert. Auf diesem Gebiet hat der Diplompolitologe, der sich 1993 mit einer Bauentwicklungsgesellschaft selbständig gemacht hat, bereits viele praktische Erfahrungen gesammelt. Rot- grüne Gemeinsamkeiten sieht Momper in der Verkehrspolitik und in der sozialen Stadtentwicklungspolitik.