: Kuscheloffensive mit Hein Gas
■ Imagekampagne soll Gas in Hamburg zum Markenartikel veredeln
Ein nackter Säugling schmiegt sich vertrauensvoll an einen männlichen Arm, ein junges Paar hat die Lippen schon fast zum Kuß zusammengebracht, drei junge Gesichter springen die BetrachterIn mit großen Augen an, ein schöner alter Mann sinniert lächelnd mit geschlossenen Augen – und alle Bilder haben nur eine Botschaft: „Hein Gas – für mehr menschliche Wärme“.
Diese Kuscheloffensive hat vor allem ein Ziel: Der einstige Monopolverteiler Hamburger Gaswerke will seinen KundInnen deutlich machen, daß sie es ab sofort mit einem modernen Dienstleister zu tun haben, der für Kompetenz, emotionale Wärme und Norddeutschland steht. Gut sechs Millionen Mark pumpt das Unternehmen, das seinen Namen kampagnengerecht kürzlich auch offiziell in „Hein Gas“ änderte, allein 1999 in diese Kampagne. Angelegt ist sie als langfristige Strategie, mit der Hein Gas das geruchslose Gas zum Markenprodukt veredeln und sich als norddeutsche „Führungsmarke“ positionieren will.
Denn seit dem 1.Januar herrscht auf dem bislang durch Gebietsmonopole streng reglementierten Markt Wettbewerb. Private Haushalte und Wirtschaft können sich ihre Gaslieferanten frei auswählen. Diese Suche wird freilich, so freut sich Hein-Gas-Chef Ulrich Hartmann, schwieriger als bei Strom und Telefon. Wenige Erzeugerländer haben meist langfristige Verträge mit wenigen Gas-Großhändlern.
Preiswettbewerb wird deshalb voraussichtlich nicht von den Erzeugerländern (Rußland, Norwegen, Niederlande, Großbritannien) sondern allenfalls von den Gashändlern ausgehen. Aber auch da kann viel passieren, weil zwischen Einkaufs- und Verkaufspreis noch viel Luft steckt. Hamburger Endverbraucher haben es derzeit dennoch schwer, einen alternativen Lieferanten zu Hein Gas zu finden. Auf Dauer ist das aber keine Unmöglichkeit: An einem einvernehmlichen Konzept über faire Durchleitungspreise wird gegenwärtig im Dialog von Gaslobby und dem Bundesverband der deutschen Industrie gebastelt.
Mit einer netten Werbekampagne allein, das weiß Ulrich Hartmann, wird der anlaufende Wettbewerb nicht zu bestehen sein: „Der Markt ist schon heute in totaler Unruhe.“ In den vergangenen Jahren hat Hein Gas deshalb seine Belegschaft um 550 auf 1.280 abgebaut und sich gänzlich neue Unternehmensstrukturen verpaßt. Zum Kurs „scharfer innerbetrieblicher Rationalisierung“ gehören auch knallharte Tarifverhandlungen: Die ÖTV kann sich schon heute auf Forderungen nach einer Kappung der Alterszusatzversorgung und einer Absenkung des Gehaltsniveaus einstellen. Florian Marten
Doch nicht nur die ÖTV soll zittern: Hein Gas will den norddeutschen Markt aufrollen und das eigene Geschäft ausweiten. Dabei geht es zunächst um Industriekunden, denen Hein Gas anbietet, ihren gesamten deutschen Gasbedarf bei Hein Gas zu decken. „Erste Erfolge“, so schmunzelt Hartmann, habe man schon erzielt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen