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Durch die Hintertür in die EU

Norwegens Ministerpräsident Bondevik hofft auf Hilfe Schröders und der EU für die Norwegische Krone. Dritte EU-Volksabstimmung kein Tabu mehr  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Als Norwegens Ministerpräsident Magne Bondevik gestern beim Bundeskanzler und zuvor bei der EU anklopfte, war es keiner der üblichen Höflichkeitsbesuche. Der reiche Ölonkel aus dem Norden hat vielmehr einen ganz konkreten Wunsch. Oslo möchte gerne seine Währung, die einst bombenfeste, in letzter Zeit aber immer mehr in den Spekulationssog gekommene Krone, irgendwie unter das schützende Euro-Dach bringen. Ein neues EU-Beitrittsgesuch hat er zwar nicht in der Tasche, dafür werden wohl noch einige Jahre vergehen. Aber der Bondevik-Besuch ist doch ein weiteres der Mosaikstückchen auf dem Weg Norwegens zur EU-Hintertür.

Wirtschaftliche Zwänge sind dabei, die zweimalige NeinsagerInnen-Nation nun doch langsam EU-weich zu klopfen. Norwegens Schwäche und Stärke schreibt man mit den beiden gleichen Buchstaben: Öl. Es hat das Land reich gemacht, aber auch in nahezu vollständige Abhängigkeit von dessen Preisschwankungen gebracht. Geht der Ölpreis runter, gerät auch die Währung in Turbulenzen, und die Zinsen steigen auf Rekordhöhe.

Längst ist die Krone auf den Devisenmärkten keine kleine, aber feine Reservewährung mehr; Anleger sind längst auf andere, sicherere Alternativen umgestiegen. Und in Oslo fallen selbst dann die Kurse noch rekordtiefer als in Resteuropa, wenn es so weit weg und ganz ohne Bezug zur norwegischen Ökonomie stürmt wie letzte Woche in Brasilien.

So würde Norwegen gerne irgendwie mit in die sichere Euro- Badewanne, sich dabei aber nicht naß machen. Eine Bindung der Krone an den Euro in welcher Form auch immer, eine Vereinbarung über Stützkäufe oder ausgeweitete Darlehensmöglichkeiten zwischen der Nationalbank in Oslo und der Europäischen Zentralbank: Fast alles ist nur zu haben, wenn der jetzt frei flatternde Kurs der Krone an die Leine gelegt wird, also entweder fest an den Euro gebunden oder zumindest in seiner Beweglichkeit nach oben und unten begrenzt.

Allerdings könnte gerade eine neue Einladung für die Spekulation sein. Norwegen sei aufgrund seiner Ölabhängigkeit nicht in Takt mit der Konjunkturentwicklung in Resteuropa, warnen Wirtschaftswissenschaftler vor einer Währungsbindung ohne Rücksicht auf die wirtschaftlichen Realitäten. Das werde sich auch nicht ändern, solange das Ölzeitalter nicht vorbei ist.

„Ich bin nicht überoptimistisch, daß wir irgendeinen Weg finden“, sicherte sich Magne Bondevik deshalb schon vor seiner Reise in die EU-Hauptstädte Brüssel und Berlin gegen allzu hohe Erwartungen ab. Was aber sicher auch damit zu tun hat, daß er tief im Herzen diese Währungszusammenarbeit und damit neue Annäherung an die EU überhaupt nicht will.

Zur Reise nach Brüssel ist der EU- Skeptiker und Chef einer Koalition aus drei Parteien, die vorbehaltlos nein zu Europa sagen, mehr oder weniger durch die Opposition von rechts und links gezwungen worden, die zusammen auf 88 der 165 Parlamentsstühle sitzt. Zwar kann die Opposition keine gemeinsame Regierung bilden, ist sich aber doch beim Thema EU einig. Thorbjörn Jagland, Vorsitzender der Arbeiterpartei, schaut ebenfalls diese Woche persönlich bei Finanzminister Oskar Lafontaine vorbei, um ein Abkommen über eine Währungszusammenarbeit näherzubringen, falls Bondevik – verständlicherweise und erwartungsgemäß – das Thema nur mit halber Kraft angehen sollte.

Die Taktik der europafreundlichen Opposition von Arbeiterpartei und Konservativen ist klar: Norwegen soll Schritt für Schritt durch die Hintertür nach Brüssel geschleust werden, um den NorwegerInnen die Europaangst zu nehmen. Zweimal haben sie mehrheitlich nein gesagt. Nicht nur, weil es sowohl bei den Volksabstimmungen 1972 als auch 1994 dem Land gerade wirtschaftlich glänzend ging, man sich also stark genug fühlte, allein zu stehen, sondern auch weil zuviel Unbekanntes die nationale Identität zu überlagern drohte.

Die Rechnung der Ja-Seite: Geht es wirtschaftlich bergab und ist man in zentralen Politikbereichen bereits an Europa gebunden – Schengener Abkommen, Handelsverträge, Währungszusammenarbeit und die westeuropäische Verteidigungsgemeinschaft WEU, deren Mitglied Norwegen ist – sollte eine Mehrheit dann noch nein sagen wollen?

„Das Volksabstimmungsresultat steht fest.“ So tönte es 1972 und 1994. Nicht einmal fünf Jahre ist das her, doch kaum eineR der führenden PolitikerInnen würde es jetzt für angebracht halten, diesen Satz zu sagen. Und auch die letzten Meinungsumfragen deuten nicht nur darauf hin, daß immer mehr NorwegerInnen der Auffassung sind, der am 28. November 1994 getroffene Beschluß des Volkes müsse überprüft werden, sondern daß auch immer mehr ihre Meinung von einem Nein zu einem Ja geändert haben.

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