: Hemmschuh Hafen
■ Bremer Stadtplaner stellten „waterfront“-Projekte alter europäischer Hafenstädte vor
„Hafenstädte verändern sich - weltweit“ – so lautet der Titel eines Prospekt-Bandes, den zwei Bremer StadtplanerInnen, Susanne Engelbertz und Siegfried Kotthoff, gestern vorgestellt haben. Und Bremen??? möchte man fragen, wenn man die Skizzen und Fotos aus deutschen und europäischen Städten sieht _ an Flüssen im Binnenland ebenso wie an den Küsten.
Ein vor zehn Jahren brach gefallenes Werftgelände wurde mit Büros, Geschäften und Wohnungen neu belebt, eine alte Werfthalle integriert, „hohe Attraktivität“ entwickelte sich. „Die touristische Nutzung der Wasserkante ist zum Publikumsmagnet in der Stadt geworden“ – in Oslo. Wohnungen am Wasser, ein Forschungszentrum, ein Hotel – in Göteborg. Eine Segelschule, Einfamilienhäuser an einem verengten früheren Hafenbecken, gegenüber ein Dienstleistungszentrum mit „guter Adresse“ – in Manchester.
Und Bremen? Gerade eine Seite in dem Buch ist Bremen gewidmet. 400 Hektar citynaher alter Hafengebiete warten auf neue Nutzungen, stellen die Autoren fest, aber „klare Vorgaben für neue Nutzungen liegen nicht vor, da in der Stadt Bremen über Nutzungen, die eine vielfältige, urbane Struktur zulassen, bisher kein Konsens erzielt wurde.“
Das Buch ist also ein Bildband zur Illustration verpaßter bremischer Chancen. Die letzte wurde jüngst mit der Art verpaßt, in der der Safthersteller Dittmeyer angesiedelt wurde. Nach zähem Ringen mit dem Wirtschafts- und dem Häfensenator hatte SPD-Wirtschaftssprecher Detmar Leo im Dezember verkündet, daß von dem Großmarkt, den Bremen direkt in ein citynahes altes Hafenrevier setzen will, ein paar Meter Platz geschaffen werden sollen, um eine Wege- und „Sichtbeziehung“ vom Stadtteil Walle an die Weser, hier den Europahafen, zu ermöglichen.
Der dort leer stehende Schuppen 3 am Europahafen müßte dafür abgerissen werden. Damit sollte eine kleine städtebauliche Schneise in die alten Hafenreviere geschlagen werden. Nachdem die Ansiedlung der Fruchtsaft-Firma Dittmeyer am Europahafen bekannt wurde, hatte Leo am vergangenen Samstag noch vorsichtig darauf hingewiesen, daß er davon ausgehe, bisher getroffene Verabredungen würden eingehalten.
Es war immer klar, daß die Ansiedlung von Dittmeyer dort Priorität haben sollte, kontert Häfen-Staatsrat Gerd Markus. Dittmeyer ist neben dem Schuppen 1 auch der Schuppen 3 verkauft worden, von der Sichtachse auf die Weser kann nun keine Rede mehr sein.
„Typisch war auch das Festhalten der Hafenverwaltungen an ihren alten Revieren“, faßt das Buch der beiden Bremer Stadtplaner durch moderne Stadtentwicklungen zwischen Bilbao und Duisburg zusammen, „ein Hemmschuh, der in fast jeder Hafenstadt anzutreffen war. Ein Eindringen der Stadtplanung ist ein zäher Lernprozeß für die Stadtentwicklungs- und Hafenverwaltungen.“ K.W.
Hafenstädte verändern sich – weltweit (Temmen-Verlag)
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