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■ Blairs Oberhausreform – eine verfassungsrechtliche Geiselnahme

Berlin (taz) – Weg mit den alten Zöpfen – und was dann? Der Gesetzentwurf zur Reform des britischen Oberhauses, den die Labour-Regierung am Mittwoch nachmittag vorstellte, bestätigt die bisher bekannten Vorstellungen der Regierung Blair mitsamt ihren Schwächen. Die 750 Inhaber erblicher Adelstitel verlieren ihre Mitgliedschaft im „House of Lords“, also Zugang, Sitz und Stimme. Übrig bleibt ein Rumpfoberhaus aus den bisherigen etwa 500 ernannten Mitgliedern, den Obersten Richtern und anglikanischen Bischöfen. Irgendwann soll das Oberhaus wieder erweitert werden. Über die genaue Zusammensetzung soll eine Kommission entscheiden.

Die Bedeutung dieses Schrittes, der 600 Jahre Parlamentstradition beendet, war am Mittwoch nachmittag allen Parlamentarieren klar. „Radikal und historisch“ nannte es Labour-Fraktionsführerin Baroneß Jay, „Verfassungsvandalismus“ ihr konservatives Gegenstück Lord Strathclyde. Unmut gibt es vor allem darüber, daß die Labour-Regierung das bisherige Oberhaus abschafft, ohne zu sagen, was endgültig an dessen Stelle treten soll.

Dennoch soll der Entwurf nach Regierungsplänen möglichst bis zum Sommer Gesetz werden. Bleibt er irgendwo stecken und wird nicht bis zur Eröffnung der nächsten Sitzungsperiode im kommenden Herbst durch die Queen von beiden Parlamentskammern verabschiedet, ist er hinfällig.

Damit alles glatt geht, wird die Regierung sich an den Kompromiß halten, den Premierminister Blair letztes Jahr mit dem damaligen Tory-Führer im Oberhaus, Lord Cranbourne, gegen den Widerstand des Tory-Parteichefs William Hague aushandelte. Demnach sollen 91 erbliche Lords in der Übergangszeit noch im Oberhaus bleiben. Obwohl dies im Gesetzentwurf nicht auftaucht, soll es Realität werden, und zwar so: Das Labour-dominierte Unterhaus läßt den vorliegenden Gesetzentwurf zunächst passieren. Bei der nachfolgenden Behandlung im Oberhaus wird der Blair-Cranbourne-Deal als Änderungsantrag dazugestellt. Bei der Rückkehr des Gesetzespakets ins Unterhaus, das das letzte Wort hat, wird dieser Zusatz dann beibehalten.

Diese informelle Absprache machte Baroneß Jay explizit vom Wohlverhalten des ansonsten gerne rebellischen Oberhauses in anderen politischen Fragen abhängig. Das „House of Lords“ wird also als Geisel genommen, damit New Labour es nicht ganz so sehr zerfleischt wie eigentlich geplant – eine verfassungsrechtliche Mauschelei, die noch auf einige Kritik stoßen dürfte. D. J.

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