: Zuckerbrot für den Atomausstieg
Umweltminister Trittin bietet den Firmen in La Hague und Sellafield Alternativen zur Wiederaufbereitung: Behandlung und Verpackung des deutschen Mülls ■ Von Jürgen Voges
Hannover (taz) – „Wir wollen den wirtschaftlichen Schaden für die Wiederaufarbeiter so gering wie möglich halten“, erklärte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) gestern mit Blick auf die Unternehmen in La Hague und Sellafield. „Dazu gehört das Angebot, sich an der Konditionierung des Mülls für die Endlagerung zu beteiligen“, bot der Minister den WAA-Betreibern eine Alternative an. Außerdem solle „das Plutonium proliferationsfest“ gemacht werden – also bombenuntauglich. Mit diesem Zuckerbrot sucht Trittin nach einem Kompromiß mit Frankreich und England bei der Wiederaufarbeitung.
Mit der Atomgesetznovelle will die rot-grüne Bundesregierung die Wiederaufarbeitung zum Jahresende verbieten. Doch Jürgen Trittin stieß bei seinen Besuchen in Frankreich und Großbritannien auf wenig Gegenliebe für das WAA-Verbot. Denn die beiden Anlagen am französischen Cap La Hague und im britischen Sellafield verlieren mit den bundesdeutschen AKW-Betreibern ihre besten Kunden.
Nachdem schon die französische Cogema neun Milliarden Mark Schadenersatz bei einem WAA-Stopp gefordert hatte, versuchte am Mittwoch auch der britische Industrieminister Stephen Byers die Bundesregierung für die finanziellen Folgen eines WAA- Verbots haftbar zu machen. Nach Angaben der Financial Times würde allein der Rücktransport der 650 Tonnen Atommüll aus Sellafield die Deutschen 1,4 Milliarden Mark kosten.
Offiziell allerdings haben Trittin und der britische Industrieminister Byers über Entschädigungsforderungen nicht gesprochen. „Die Frage des Schadensersatzes ist nicht erörtert worden“, sagte Trittins Sprecher Schroeren gestern. Man sei sich einig gewesen, daß diese juristischen Fragen zwischen den Vertragspartnern, also der BNFL und den deutschen AKW-Betreibern, geklärt werden müßten.
Nach der Rechtsauffassung des Bundesumweltministeriums sind die WAA-Verträge nach einem gesetzlichen Verbot ohne Entschädigungen kündbar, weil höhere Gewalt – in diesem Falle Gesetzgebung – die deutschen AKW-Betreiber freistellt. Auch die Bundesregierung kann demnach nicht in Anspruch genommen werden: Die deutsch-französischen und deutsch-britischen Abkommen, die die WAA-Verträge flankieren, hat der Bundestag nie ratifiziert.
Trittin hat in England und Frankreich offenbar der Cogema und der BNFL indirekt Ersatzaufträge angeboten: Der Vorschlag, in La Hague und Sellafield künftig deutsche Brennelemente zu konditionieren, also endlagerfähig in Behälter verpacken zu lassen, müsse geprüft werden. Das hätte für die deutsche Seite zudem den Vorteil, daß die in England und Frankreich lagernden noch nicht wiederaufgearbeiteten Brennelemente erst später in die Bundesrepublik zurückgebracht werden müßten. Dann müßten auch weniger Atomtransporte rollen, um die konditionierten Brennelemente direkt in ein bundesdeutsches Endlager zu bringen, das allerdings erst im Jahr 2030 in Betrieb gehen soll.
Vor einer Konditionierung der Brennelemente in Frankreich und England wären allerdings noch eine Reihe von technischen und juristischen Fragen zu lösen. Die automatisierten Arbeitsabläufe in den WAAs sind nicht einfach auf Konditionierung umstellbar. Umbauten in Sellafield und La Hague wären wahrscheinlich erforderlich. In Frankreich ist außerdem die Zwischenlagerung ausländischen Atommülls nicht erlaubt. Der französische Staatssekretär für Industrie, Christian Pierret, hat gestern denn auch noch einmal die Forderung nach Schadenersatz bei einem deutschen Ausstieg aus der Wiederaufbereitung bekräftigt. Trittins Vorschlag, als WAA-Ersatz Brennelemente zu konditionieren, bezeichnete er als „etwas weit hergeholt“.
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