Umwelt-Bingo ohne Bremen

■ Die norddeutschen Lotto-Gesellschaften steigen ins millionenschwere Umwelt-Bingo ein – nur Bremen schaut zu / Bremer Umweltaktivisten stellen deshalb Förderanträge in Niedersachsen

Sieben Millionen Mark hat das Bingo-Lotto – die bundesweit erste Umweltlotterie, vor 16 Monaten in Niedersachsen an den Start gegangen – bisher ausgeschüttet. 400 Projekte bekamen vom neuen Geldsegen etwas ab, der vor allem Ehrenamtliche bei ihren Umwelt- und Entwicklungsaktivitäten fördern soll. Fischtreppen, Krötentunnel und unzählige Nistkästen wurden damit gebaut, auch die Schweinswale in der Nordsee bekamen einen Happen ab; der größte Brocken von rund 300.000 Mark landete im Biosphärenreservat Elbtalaue – alles vom Glücksritter subventioniert. Vom Fünf-Marks-Los gehen jeweils eine Mark 25 an die Umweltverbände. „Für die ist das wie fünf Richtige mit Zusatzzahl“, lacht der Sprecher der Toto-Lotto GmbH Niedersachsens, Herbert John.

Doch nicht nur Niedersachsens UmweltschützerInnen sehen die Sache positiv; seit Januar beteiligt sich auch Schleswig-Holstein regelmäßig an der Lotterie – mit „rasantem Erfolg“, wie es heißt. Rund 300.000 Mark „Zweckertrag“ kamen dort bereits in den ersten sechs Wochen zusammen. Wie in Niedersachsen wird auch im nördlichsten Bundesland ein aus Politik und Umweltverbänden besetzter Beirat entscheiden, wer für welchen Zweck Lottogelder bekommen soll. Zeitgleich ging auch Hamburg ins Rennen, nachdem GAL-Umweltsenator Alexander Porschke das Umwelt-Glück in die landeseigene Lottogesellschaft puschte. Selbst in Mecklenburg-Vorpommern denkt man über eine künftige Bingo-Beteiligung nach. Zur Zufriedenheit der Initiatoren aus dem Naturschutz: „Für uns ist es ein Erfolg, daß nach jahrzehntelanger Sport-Förderung und der karitativen Behindertenförderung durchs Glücksspiel jetzt endlich auch Akzente für die Umwelt gesetzt werden“, lobt Onno Poppinga die Entwicklung. Der ehemalige BUND-Bundesvorstand betreibt heute im ostfriesischen Dornum ein Beratungsbüro für die Umweltlotterie; an ihn schicken UmweltschützerInnen aus ganz Norddeutschland ihre Anträge auf Lotto-Unterstützung.

Unter dem Berg von Anfragen liegt in diesem Jahr auch ein Brief aus Bremen. „Wir wollen 40.000 Mark – für eine Nistkasten-Piep-Show“, sagt Nabu-Mann Sönke Hofmann. Das bereits patentierte Kamerasystem zur Bespitzelung der Vogel-Kinderstube im Nistkasten soll später rund 50 niedersächsischen Schulen kostenlos zur Verfügung gestellt werden. „Das Bingo-Lotto ist sinnvoll. Daß Bremen sich da ausklinkt, ist blödsinnig“, sagt Hofmann. „Wir könnten solche Einnahmen auch gut gebrauchen.“

Das glauben auch viele BeobachterInnen aus dem niedersächsischen Umland. Auch in der Bremer Umweltbehörde beobachtet man die aktuelle Entwicklung mit Interesse. „Daß Bremen nicht mitmacht, führt auch zu kuriosen Situationen“, weiß beispielsweise Staatsrat Olaf Joachim. Weil an der Bremer Landesgrenze Stopp für Bingo-Mittel herrsche, bekomme eben nur der niedersächsische Teil der naturgeschützten Wümmewiesen Geld aus dem Lottotopf. Die Bremer schieben Frust. Warum das so ist – und vor allem, ob das so bleiben soll? „Da fragen Sie besser den Bremer Innensenator.“

Dort ist man reserviert: „Wir sind nur Genehmigungsbehörde. Und bei uns hat niemand einen entsprechenden Antrag für ein Umweltlotto gestellt.“ Peter Zerfowski, Sprecher der Bremer Toto-Lotto GmbH, erklärt, warum: „Nach dem Gesetz müssen verschiedene Kritierien für eine neue Lotterie erfüllt sein. Erstens muß es Bedarf geben – und außerdem muß die Wirtschaftlichkeit des neuen Spiels garantiert sein.“ Das sei aber nicht der Fall. „Bei uns haben höchstens 20 interessierte SpielerInnen wegen Bingo-Lotto angerufen“, sagt Zerfowski – und schließt: „Die Bremer wollen das Spieel nicht.“ Außerdem sei die Einführung des neuen Spiels teuer und durch Einnahmen voraussichtlich nicht gedeckt – von der „altbackenen Präsentation der Verlosungssendung, sonntags nachmittags auf N3, mal ganz abgesehen.“

„Wir erreichen an manchen Tagen bis zu 20 Prozent Einschaltquoten“, sagt dagegen Bingo-Berater Onno Poppinga. Von einer „viel zu umständlichen Rumtata-Sendung“ würde er – anders als auch der Bremer Nabu-Mann Sönke Hofmann – nicht sprechen. „Für manche ist die Sendung Kult“, betont er. Allerdings kennt er auch die Sorgen der niedersächsischen Toto-Lotto-Gesellschaft, die nicht immer die 120.000 Lose pro Woche verkauft, die nötig wären, um in die Gewinnzone zu rutschen. Als besonderes Handicap gilt dabei die Naturliebe der Glücksspieler. „Bei gutem Wetter sitzen die am See – und nicht vor der Glotze zum Lottospielen.“ Deshalb auch die lange Lotto-Pause im Sommer.

Hier bringt die neue Bingo-Ko-operation mit Hamburg und Schleswig-Holstein künftig Erleichterung. Sie senkt die Fixkosten, etwa für die Filme am Sonntag. Die Neuen im Bingo-Bund haben für die Anlaufprobleme eine eigene Lösung gefunden. Vom Fünf-Marks-Los geht in Kiel beispielsweise nur eine Mark an Umweltprojekte, in Hamburg wird gar nur der Überschuß ausgeschüttet – nach Abzug der Spielgewinne und Verwaltungskosten.

Die Bremer Toto-Lotto-Gesellschaft sieht sich damit in ihren finsteren Prognosen nur bestätigt – zumal nach Landesgesetz mindestens 21 Prozent an die Naturschützer ausgeschüttet werden müßten. „Eine Umweltlotterie ist ein Danaergeschenk“, sagt Zerfowski. „Das Geld, das da reinfließt, geht von den Einnahmen anderer Glücksspiele ab.“

Die Bremer Umweltverbände warten unterdessen auf eine günstige Gelegenheit, das Thema wieder anzugehen – mit möglichst geringem Risiko. Bei der knappen Kassenlage könnten Zuwendungen durchs Bingo-Lotto im schlechtesten Fall die bisherigen Lotto-Zuwendungen von rund einer Million Mark ans Umweltressort ersetzen, fürchten manche. „Sowas wünschen wir uns natürlich nicht“, sagt Martin Rode vom BUND. In Niedersachsen heißt es dazu: „Hier ist das nicht passiert.“ ede