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Als die Kuh Medium wurde

■ Es ist Zeit für eine Liebeserklärung an die Kuh, dachte sich Arte und widmet dem Tier den Sonntagabend. Inklusive Kuhlturmagazin (ab 20.40 Uhr)

Die Kuh ist modern – meint zumindest die Populärkultur, die das schwarzweiße Muster auf Trinkgläser, Sitzkissen und Westen bannte. Daß sich das distanziert und schwierig wirkende Tier nun auch fürs Kulturfernsehen qualifiziert habe, meint zumindest Arte und widmet ihr (in Farbe und bunt) eine Hommage.

Hartmut Jahn gehört zu den Autoren, die die kulturelle Kuh für den heiligen Sonntagabend ausschlachten dürfen. Zu den Klängen von Lutz Glandiens Kompositionen aus originalen Muh-Tönen (ein großer Coup) besucht er verschiedentlich Kulturbeflissene mit teils suspekten (auf des Autors Mist gewachsenen?) Berufsbezeichnungen, die der Kuh nahestehen – zum Beispiel, um sie klammheimlich zu Milka-lila-Kühen zu verfremden, wie es der zuständige Schweizer „Cowpainter“ seit 25 Jahren, aber leider nicht für die Kamera tut.

Die Kinderschar jedenfalls, die der Onkel während eines Promotion-Events vor einer heuverschlingenden Milka-Kunst-Kuh zum Thema befragt, findet, wer hätt's gedacht, lila Kühe am schönsten. Eine bedrohlich realitätsferne Gesinnung, die unter deutschen Kleinst-Bürgern (in diesem Falle Landeiern) herrscht, findet der Bericht. Dabei wird gleich die Mär vom naturfernen Stadtkind aufgewärmt – wo doch auch das gelegentlich Milch trinkt und viel gesundes Fernsehen guckt. Und dort scheint die Kuh als derb-humoristischer Werbeträger für Eßkultur- Kolonialismus gern gesehen – hat man doch, auf trojanische Art, die schmierkäserne „vache qui rit“ sogar bis in die arabischsprachige Fernsehwerbung gerollt.

Doch nicht weniger strauchelt das Image der Heimat-Kuh unterm Joch der Industrienation, die sie für Werbezwecke zum zeitgerafften Fußballkicken auf die Alm abkommandiert; ganz abgesehen von den unerwähnt gebliebenen BSE-freien Chupa-Chups-Kühen und den telefonierenden Südmilch-Kühen Sigrid und Zsa Zsa. Aber schließlich soll die zum Kommunikationsmedium geronnene Kuh im Konsumentenhirn an Sahne und sanitas, nicht aber an Wahnsinn gekoppelt sein.

„Zermürbend“ findet sie zwar den Rhythmus von Gebären und Tod, trotzdem läßt sich die freundliche Künstlerin aus Sankt Augustin von der „surrealen sprachlichen Situation“ von „Pipi“, „Haschisch“ und „Hölle“ inspirieren – Züchternamen, die semantisch den Bogen zum Elementaren schlagen und der Kuh über den Kunstkontext hinaus ein Wissen um die Struktur der Welt einräumen – weswegen sie andernorts als Heiligtum, hier als Medium mit goldenem Boden angebetet wird.

Die Eloquenz der Kuh bescheinigt aus dem Stall auch der befragte „Muhforscher“, ohne indes sie entschlüsseln zu können. So behält die Kuh ihre Weisheit für sich wie der Buckelwal, einst Medienstar (wenn auch ohne Werbeverträge), nachdem Talentsucher ihn als enigmatischen Meeres-Branduardi outeten. Monie Schmalz

Arte Themenabend Kuh: „Der Kampf der Königinnen“ (Spielfilm), 20.40 Uhr; „Maharadjah Burger“ (Doku), 22.15 Uhr; „Ein Kuhleben“ (Doku), 23.10 Uhr; „Die Kuh kommt – Das Kuhlturmagazin“, 23.45 Uhr; „Die himmlische Kuh“ (Filmessay), 0.25 Uhr. Und immer dazwischen: „Tagebuch einer Kuh“ (Fünfteiler)

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