: An der Giftliste wird noch gebastelt
■ Der Druck der Lobbyisten zeigt Wirkung. SPD-Länder und -Fraktion legen neuen Vorschlag zur Gegenfinanzierung der Steuerreform vor
Berlin (taz) – Die Zeit drängt. Am 10. Februar, drei Wochen früher als geplant, will Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine seinen Entwurf zum Steuerentlastungsgesetz ins Kabinett einbringen. An diesem Tag wird er erklären müssen, wie er die Gegenfinanzierung für die schon im Dezember im Bundestag beschlossenen Senkungen bei den Einkommenssteuertarifen und das erhöhte Kindergeld zusammenkriegen will. Und bislang wandelt sich die Liste der Steuerschlupflöcher, die zu diesem Zweck gestopft werden sollen, beinahe täglich.
Am Donnerstag abend nun haben sich die Finanzminister der SPD-Länder und Experten aus der SPD-Fraktion auf Änderungsvorschläge geeinigt. Demnach würde ein Teil der geplanten Streichungen bei der Denkmalpflege, bei Abfindungen und bei der Teilwertabschreibung zurückgenommen.
Insbesondere gegen den letzten Punkt waren vor allem die Banken und Versicherungen, aber auch die Buchverlage Sturm gelaufen. Sie sollten nach der ursprünglich vorgesehenen neuen Regelung keine Möglichkeit mehr haben, Wertverluste bei Lagerbeständen und Forderungen steuerlich abzusetzen. Der Bundesverband deutscher Banken, für den die Teilwertabschreibung vor allem bei Krediten eine Rolle spielt, hatte daraufhin damit gedroht, daß künftig nur noch sichere Darlehen vergeben und unsichere wie beispielsweise politisch gewollte Kredite an Entwicklungsländer oder wackelige Finanzierungen für sanierungsbedürftige Unternehmen schneller gekündigt werden müßten – der realisierte Verlust wäre weiterhin abzugsfähig gewesen. Die Verlage befürchteten eine „reine Bestsellerkultur“, weil sie sich schwer verkäufliche Bücher, die auf Lager blieben, dann nicht mehr leisten könnten. Auch Rudolf Hickel, Wirtschaftsprofessor an der Uni Bremen und Mitglied der Arbeitsgruppe alternative Wirtschaftswissenschaft, sagte, bei der Abschaffung der Teilwertabschreibung bestehe die Gefahr, „Scheingewinne zu besteuern“.
Die neue Lösung wird in den inoffiziellen „Formulierungshilfen“ des Bundesfinanzministeriums als „Beibehaltung der Teilwertabschreibung“ bezeichnet. Genauer müßte es heißen: Die Abschreibemöglichkeit wird beschränkt. Denn künftig sollen die Unternehmer nachweisen, daß die Wertminderung der Ware oder Forderung „dauerhaft“ ist. Dieser Begriff ist manchem Kritiker allerdings „zu restriktiv“. Vor allem bei Wertpapieren und Krediten sei es problematisch, eben diese Dauerhaftigkeit zu beweisen, erklärte Heinz-Udo Schaap, Steuerexperte beim Bundesverband deutscher Banken.
Auf bessere Resonanz stieß der Vorschlag der SPD-Experten, die Kosten für Sanierung und Denkmalpflege auch weiterhin zu zehn Prozent statt gar nicht mehr oder nur zu fünf Prozent absetzen zu können. Hintergrund für den Gesinnungswandel der SPD-Experten ist zum einen der immer noch hohe Sanierungsbedarf in Ostdeutschland, zum anderen das „Interesse der Allgemeinheit, das kulturelle und historische Erbe zu erhalten“, wie SPD-Fraktionschef Peter Struck erklärte.
Eher der soziale Aspekt mag bei der Änderung der Abfindungsbesteuerung bei Entlassungen eine Rolle gespielt haben. Die bisherigen Freibeträge von 24.000 bis 36.000 Mark sollen nicht mehr um die Hälfte, sondern nur noch um ein Drittel auf 16.000 bis 24.000 Mark gekürzt werden.
Schwierig wird es nun für Lafontaine, die Ausfälle, die durch diese Einschränkungen der ersten Liste zustande kommen, wieder auszugleichen: Um 57 Milliarden Mark hat er die Steuerzahler durch die Tarifsenkungen entlastet, 44 Milliarden davon wollte er er durch die Streichung der Begünstigungen wieder hereinholen. Daß die Ausgaben für Denkmalpflege und Sanierung absetzbar bleiben, verursacht in dieser Rechnung im Entstehungsjahr (dem ersten Jahr der vollen Wirksamkeit) zwar lediglich einen Ausfall von etwa 30 Millionen Mark, bei der Abfindungsregelung, die ursprünglich 600 Millionen in die Kassen spülen sollte, geht es jedoch schon um eine dreistellige Millionensumme. Ganz zu schweigen von der Teilwertabschreibung: Statt 3,4 Milliarden Mark hat der Finanzminister nun höchstens noch 2,6 Milliarden zu erwarten. Und Spielraum für eine größere Nettoentlastung hat der Bundesfinanzminister spätestens nach der neuen Belastung der Bundeskassen durch das Familienurteil des Bundesverfassungsgerichts auch nicht.
Nun geht die fieberhafte Suche nach noch nicht berücksichtigten Schlupflöchern weiter, die zusätzlich geschlossen werden können. Im Gespräch ist eine Einschränkung der absetzbaren Verluste bei Film- und Fernsehfonds. Beate Willms
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