: Netanjahus Chancen schwinden
Israels Verteidigungsminister Mordechai tritt nicht wieder für den Likud an. Wechselt er zur Zentrumspartei, steigen deren Wahlaussichten beträchtlich ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen
Die Entscheidung kommt einem mittleren Erdbeben gleich: Verteidigungminister Jitzhak Mordechai tritt nicht wieder für den Likud an. Er will die Partei verlassen und der Zentrumspartei beitreten. Dies erklärte er gestern nach wochenlangem Schweigen und intensiven Beratungen mit den Führern der Zentrumspartei. Damit verbessern sich die Wahlaussichten der Zentrumspartei beträchtlich. Mordechai gilt als der populärste Politiker in Israel.
Israelische Zeitungen spekulierten am Freitag, Mordechai wolle das Verteidigungsministerium so lange wie möglich halten, um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, an den es sonst kommissarisch fiele, an „militärischen Abenteuern zu Wahlkampfzwecken“ zu hindern. Deshalb ließ Mordechai erklären, noch sei er Likud-Mitglied. Laut kurzfristig erfolgten Umfragen wird die Zentrumspartei Mordechai die Spitzenposition in der Partei anbieten. Damit würde er zum direkten Herausforderer Netanjahus und des Chefs der Arbeitspartei, Ehud Barak. Im Falle einer späteren Koalitionsregierung will die Zentrumspartei überdies darauf bestehen, daß Mordechai auf jeden Fall wieder Verteidigungsminister wird.
Ein solches Versprechen hatte Netanjahu Mordechai nicht geben wollen. Lediglich im Falle eines Wahlsieges der rechten Koalitionsparteien könne Mordechai wieder mit dem Verteidigungsministerium rechnen, hatte Netanjahu eingeräumt. In einer ersten Reaktion auf die gestrige Erklärung sagte er, Mordechai mache einen schweren Fehler. Nach den letzten Gesprächen mit Mordechai hatte er bereits leicht resigniert erklärt, „wenn er die Positionen des Likud teilt, wird er bleiben, wenn nicht, wird er gehen“.
Der 1944 im irakischen Kurdistan geborene Mordechai verließ 1995 nach einer blendenden militärischen Karriere die Armee aus Verärgerung, daß er nicht zum stellvertretenden Generalstabschef ernannt wurde. Zunächst wollte er sich der Arbeitspartei anschließen. Doch Schimon Peres mochte ihm 1996 nicht das Verteidigungsministerium versprechen. Also schloß Mordechai sich dem Likud an. Der Likud-Ideologie war Mordechai aber weniger verbunden, als er stets beteuerte. Erst in dieser Woche hatte US-Präsident Clinton Mordechai in einem Brief besonders gelobt für seine Verdienste bei der Aushandlung des Wye-Abkommens. Mordechai gilt im Gegensatz zu den meisten Likud-Anhängern als Befürworter eines Ausgleichs mit den Palästinensern. Kommentar Seite 12
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