Störzeile: Unschuldig geschieden
■ Es hat halt nicht sollen sein mit mir und der Uni. Macht nichts, ist ja ihre Schuld
Die Schuldfrage bei Scheidungen ist seit langem abgeschafft – leider, denn bei meiner Trennung von der Uni würde ich vor Gericht garantiert gewinnen: „Wissen, Sie, Herr Richter“, würden sie sagen, „ich hab's echt versucht. Ganz zu Anfang unserer Beziehung fand ich sie auch wirklich spannend. Aber das hat nur ein paar Wochen angehalten. Dann merkte ich, daß die Uni und ich einfach nicht zusammenpassen – jedenfalls nicht, wenn wir uns täglich acht Stunden sehen“.
„Wir lebten einfach in verschiedenen Welten“, würde ich argumentieren. „Sie träumte von Forscherruhm, ich brauchte Geld für die Miete. Und jung ist man auch nur einmal – wann, wenn nicht damals sollte ich etwas von der Welt sehen? Also bin ich los: Mexiko, Schottland, Australien. Wie soll man denn als halbwegs an der Welt interessierter Mensch mit jemandem auskommen, der so dermaßen um sich selbst kreist?“
Zugegeben, vielleicht bin ich nicht der treue Typ. Aber woanders habe ich eben gefunden, was sie mir nie geben konnte: Anregende Diskussionen, Herausforderungen, das Gefühl, etwas zu gestalten. Was soll denn das ganze Studium, wenn der Horizont nur bis zur Wand des Hörsaals reicht?
Im Scheidungsprozeß würde ich mich dennoch kompromißbereit zeigen. Denn was sollen die Schuldzuweisungen. Es hat einfach nicht sollen sein mit mir und der Uni. Ich will keinen Streit mit ihr. Darum wünsche ich mir nur noch eines, jenes Stück Papier, das ich für meine völlige Freiheit brauche: Den letzten Schein“.
Heike Dierbach
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