: Mord schockiert Indien
■ Hindu-Gruppen distanzieren sich vom Mord an australischem Missionar und seinen Söhnen
Neu-Delhi (dpa/rtr/taz) – Der am Wochenende in Indien ermordete australische Missionar und seine beiden ebenfalls getöteten Kinder sind gestern unter großer Beteiligung der Öffentlichkeit beigesetzt worden. Mehrere tausend Menschen säumten in Baripada im östlichen Bundesstaat Orissa den Weg zum Friedhof und trugen Transparente mit den Namen der Opfer. Der 58jährige Graham Staines und seine Söhne Philip und Timothy waren in der Nacht zum Samstag in ihrem Geländewagen verbrannt. Eine Gruppe mutmaßlicher Hindufanatiker hatte das Auto, in dem er und seine Söhne in einem Dorf übernachteten, mit Benzin übergossen und angezündet. Die Brandstifter hinderten sowohl Staines und seine Söhne am Verlassen des brennenden Autos als auch Dorfbewohner daran, sie zu retten. Außerdem zündeten die Täter eine Kirche an.
Der Mord an dem Missionar, der seit 34 Jahren in Indien lebte und eine Lepra-Station leitete, ist der bisherige Höhepunkt der Hatz gegen die christliche Minderheit in Indien. In den vergangenen Wochen waren bereits zahlreiche Kirchengebäude im Unionsstaat Gujarat das Ziel von Brandanschlägen. Die Regierung wies internationale Kritik bisher mit dem Argument zurück, daß die Übergriffe gegen Christen auf eine kleine Region beschränkt seien. Dies läßt sich jetzt nicht mehr halten.
Seitdem im vergangenen Frühjahr eine Koalitionsregierung unter Führung der hindunationalistischen BJP in Neu-Delhi regiert, sehen sich militante Hindus im Aufwind. Statt wie früher Muslime nehmen sie jetzt verstärkt Christen ins Visier. So fordert seit dem vergangenen Jahr der fundamentalistische Welt-Hindu-Rat VHP die Ausweisung ausländischer Missionare und warnt vor einer „Verschwörung“ des Westens, der angeblich die Christianisierung Indiens wolle. Der Anteil der Chisten an der Gesamtbevölkerung liegt unter 2,4 Prozent.
Der Mord an dem Missionar hat in Indien zu heftigem politischem Streit geführt. Die Polizei machte für die Morde die militante Hindu- Organisation Bajrang Dal verantwortlich, die mit der regierenden BJP verbunden ist. Innenminister Lal Krishna Advani von der BJP wies den Vorwurf jedoch zurück. Auch andere Hindu-Gruppen lehnten jede Verantwortung ab. Nach Meinung von Beobachtern versuchen militante Hindus, der BJP eine härtere Linie aufzuzwingen. Politiker aller Richtungen drückten ihren Abscheu über die Morde aus. Regierungschef Atal Behari Vajpayee sagte, die Täter könnten keine Gnade erwarten. 50 Verdächtige wurden inzwischen festgenommen. Der mutmaßliche Haupttäter, das Bajrang-Dal-Mitglied Dara Singh, wurde noch nicht gefaßt. han
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